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Preis für Euthanasieforscher Ernst KleeAktion statt Sorgenkind

Ernst Klee, Pionier der deutschen Behindertenbewegung, erforschte die Verbrechen am "lebensunwerten Leben". Jetzt wird er mit der Wilhelm-Leuschner-Medaille geehrt.

Seine Sympathie gilt denen, die im Abseits stehen. Bild: dpa

Bekannt geworden ist Ernst Klee in den Siebzigerjahren als Autor, der sich für die engagiert, denen die Gesellschaft keinen Platz zubilligen wollte: Klee ist als Obdachloser durch die Lande gereist und er hat Ansichten aus psychiatrischen Kliniken in die Öffentlichkeit gebracht. Klee hat nachgezeichnet, wie Strafgefangene nach ihrer Entlassung - statt Unterstützung bei der Resozialisierung zu erhalten - im Stich gelassen werden. Und schließlich hat er sich mit großem Einsatz für die Rechte von Menschen mit Behinderungen starkgemacht.

Der von Ernst Klee und dem verstorbenen Gusti Steiner in Frankfurt am Main ins Leben gerufene Volkshochschulkurs "Bewältigung der Umwelt" wurde zu einer der Keimzellen der bundesdeutschen Behindertenbewegung, die den Kampf gegen das Image vom Musterkrüppelchen und das damals noch beherrschende Menschenbild der "Aktion Sorgenkind" aufnahm.

Ernst Klees Engagement in diesem Bereich markierte für seine weitere Biografie gleichzeitig den Wendepunkt: Viele Menschen mit Behinderungen schätzten Nichtbehinderte als Unterstützer ihrer Anliegen zwar durchaus, es gar aber auch erhebliche Vorbehalte - Nichtbehinderte, und seien sie auch noch so profiliert, sollten nicht im Zentrum stehen. Ernst Klee begann in dieser Zeit neue Wege zu erkunden: Vom aktuellen Engagement für die Betroffenen zur Suche nach historischen Spuren, die in die Gegenwart führen.

Dass er dabei die Verbrechen von Medizinern an Menschen mit Behinderungen im Nationalsozialismus ins Zentrum seines Interesses rückte, erscheint konsequent und war angesichts der in den Achtzigerjahren dann auch in der Bundesrepublik beginnenden neuen Diskussionen um Sterbehilfe und Euthanasie durchaus hellsichtig. Bemerkenswert an den grundlegenden Forschungsarbeiten Klees ist, dass er, der gelernte Sanitär- und Heizungstechniker, der später noch ein Theologiestudium absolviert hat, in der Erforschung der "Vernichtung lebensunwerten Lebens", der Euthanasie, durch die Nationalsozialisten den Historikern weit voraus war.

Mit besonderem Nachdruck hat sich Klee aber nicht nur mit den Medizinern selber befasst, die in Konzentrationslagern Menschenversuche durchgeführt und die im Rahmen der Euthanasie-Programme der Nationalsozialisten Behinderte ermordet hatten, er hat auch nachgeforscht, wie sich die Kirchen und die Träger der Pflegeheime angesichts der Vernichtungspolitik verhalten haben.

Zu einem Zeitpunkt, als viele der Täter und Täterinnen noch lebten und ihre Pensionen bezogen haben, hat Klee mit Büchern wie "Was sie taten - was sie wurden: Ärzte, Juristen und andere Beteiligte am Kranken- oder Judenmord" auf die persönliche Verantwortung und auch das soziale Umfeld, in dem diese Verbrechen durchgeführt werden konnten, verwiesen. Für seine Forschungen hat Ernst Klee viele Wochen und Monate in Archiven zugebracht, den Blick für die sozialen Verhältnisse und Entwicklungen in der Gegenwart hat er dabei nicht verloren, im Gegenteil.

Der Gang in die Geschichte hat ihm den Blick dafür geschärft, was aus dem so gründlich recherchierten historischen Zusammenhang heute gegenwärtig ist und die Misere stabilisiert, die er in seinen Jahren als Journalist so eindringlich thematisiert hat. Jetzt bekommt Ernst Klee die Wilhelm-Leuschner-Medaille, nachdem er schon die Goethe-Plakette der Stadt Frankfurt erhalten hatte und eine Körperbehindertenschule in Mettingen nach ihm benannt worden ist. Ernst Klee, der nie bequem sein wollte, der nie einen Zweifel daran gelassen hat, dass seine Sympathie denen gilt, die ins Abseits gestellt wurden, wird am Samstag vom hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch ( CDU) mit der höchsten Auszeichnung des Landes Hessen geehrt werden, die nach dem Widerstandskämpfer Wilhelm Leuschner benannt ist. Man darf gespannt sein, ob die Laudatio über die nichtssagenden Allgemeinplätze hinausgehen wird, die zur Begründung der Preisträgerschaft schon zu hören waren: Klee habe sich für andere Menschen eingesetzt und um die Demokratie verdient gemacht.

Schaut man zurück auf die lange Liste der Preisträger der Leuschner-Medaille, zu denen der Vorsitzende des Zentralrats der Juden Deutschlands, Ignatz Bubis, der Pressesprecher von Pro Asyl, Herbert Leuninger, oder Alexander und Margarete Mitscherlich gehören, dann hat Klee den Preis sicherlich zu Recht erhalten. Blickt man wiederum auf die bioethische Diskussion der Gegenwart, dann scheint es, als habe Klee den neuen Preis auch zur richtigen Zeit erhalten: In der Sterbehilfedebatte - die zwar auch durch viele richtige Argumenten geprägt ist, die das Selbstbestimmungsrecht von Patienten am Lebensende betreffen - treiben scharfe Stereotype über das Leben mit Behinderungen die Diskussion heute in Richtung einer Freigabe sogar von Tötung auf Verlangen.

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