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Praktikanten in BundesbehördenManche Ministerien wollen nicht zahlen

Als Praktikant bekommt man in den Bundesministerien vieles, aber selten Geld. Selbst eine geringe Aufwandsentschädigung ist unter den Ressorts umstritten.

Schuften für lau: Praltikanten im Auswärtigen Amt. Bild: dpa

BERLIN taz | Die Bundesregierung tut sich schwer damit, bessere Bedingungen für Praktikanten in Ministerien zu schaffen. Die derzeit gültigen "Richtlinien des Bundes über Praktikantenvergütungen" stammen aus dem Jahr 2001.

Bis Ende vergangenen Jahres sollte das Innenministerium eigentlich federführend eine Neufassung erarbeiten. Jetzt wird Ende dieses Jahres als neuer Termin genannt. "Eine ressortübergreifende Akzeptanz der Richtlinie" gebiete "Gründlichkeit vor Eile", sagte eine Ministeriumssprecherin.

Die Ministerien streiten darüber, ob Praktikanten grundsätzlich Geld bekommen sollen. Aber es sieht nicht danach aus, dass es so weit kommt. Es sei lediglich entschieden worden, dass "auf freiwilliger Basis angemessene Aufwandsentschädigungen gezahlt werden können", so die Sprecherin des Innenministeriums zur taz.

In den meisten Ministerien bekommen Praktikanten bislang keinen Cent. So auch im Auswärtige Amt, mit rund 900 Praktikanten im Jahr Rekordhalter. Sie werden dort teilweise als vollwertige Arbeitskräfte eingesetzt. Das Ministerium bestreitet das nicht, es betont lediglich: "Praktikanten […] ersetzen keine Vollzeitstellen."

Bis zu 300 Euro Aufwandsentschädigung

In einer Antwort auf ihren Beschwerdebrief wird den Praktikanten mitgeteilt, dass das Amt wegen "der geltenden Rechtslage und angesichts knapper Haushaltsmittel derzeit im Inland keine vergüteten Praktika zur Verfügung stellen kann".

Dass Praktikanten sich nicht als billige Arbeitskräfte missbrauchen lassen sollen, lässt sich in einer Broschüre nachlesen, die vor Kurzem erst vom Bildungs- und vom Arbeitsministerium herausgegeben wurde. Dass die Publikation ausgerechnet aus dem Hause der Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) kommt, zeigt, wie doppelzüngig diese mit dem Thema Praktika umgeht.

Denn Schavan selbst hatte 2008 eine gesetzliche Regelung zum Schutz von Praktikanten verhindert. Und auch in ihrem Ministerium bekommen Praktikanten nichts. Doch das soll sich jetzt ändern. "Möglichst bald", so ein Sprecher, sollen Praktikanten "bis zu 300 Euro Aufwandsentschädigung im Monat bekommen". Eine solche Regelung gibt es bereits beim Arbeits- und beim Familienministerium.

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11 Kommentare

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  • H
    heinzl

    @fabian

    Sie verstehen mich vielleicht nicht, ich habe nichts gegen ein Praktikum, ich bin zwar vielleicht ein alter Esel, aber ein lernwilliger. Grundsätzlich würde ich jedes Praktikum der Welt ableisten, lernen kann man immer. Ich möchte nur auch eine Chance bekommen zu arbeiten. Boykott und Arbeitsverweigerung sind nicht so mein Ding. Ich war wahrscheinlich der beste Schülerloste den die je hatten. Ich habe das Ernst genommen und trotzdem meine Würde gewahrt.

    Ich möchte einfach arbeiten und mein Geld verdienen. Dabei ist das Verdienen mir wichtig: Ich möchte keine Almosenm, auch keine staatlichen, mir ist es egal ob es bei der Arbeit kalt, schmutzig, heiß oder laut ist.

    Ich möchte nur das Gefühl haben, das etwas mache was nicht nur Arbeitsbeschaffung ist.

  • WB
    Wolfgang Banse

    Generation Praktikant

    Praktikanten stellt man gerne ein,weil sie eine billige Arbeitskraft für den Arbeitgeber sind.Man nutzt ihre Arbeitskraft aus und dies sollte unterbunden werden.Auch Praktikanten sollte ein angemessenes Monatssalär erhalten und Sozialversichert werden

  • F
    Fabian

    @heinzl

    Das gibts doch gar nicht!? Wieso bekommen sie denn Praktika als Arbeitssuchender aufgedrückt? Das verstehe ich nicht, sie sind doch kein Berufsanfänger der Praxiserfahrung sammeln soll. Wenn das stimmt, wäre das ja staatlich verordnete einkommensfreie Zwangsarbeit bei Unternehmen.

    Würde ich mir an ihrer Stelle nicht bieten lassen und mit Krankschreibungen und schlechter Arbeit passiv boykottieren. Für Harz4 noch den gierigen Unternehmen die Gewinne aufstocken, wie asozial ist dieser Kapitalismus eigentlich in Deutschland schon...

  • H
    heinzl

    Ich habe das zweifelhafte Vergnügen als Arbeitsloser jetzt schon in der zweiten "Maßnahme" mit Praktikum zu landen. Diese sogenannten Praktika dauern zwischen einem um drei Monaten. Bezahlung: kein Cent. Aufgaben: die gleichen wie eine Vollzeitkraft.

    Mir wurde auch klar gesagt, dass ich eine Urlaubsvertretung bzw. eine Krankheitsvertretung bin. Die erhoffte Übernahme wird wohl wieder nichts werden. Verweigere ich aber dieses Praktikum wird mir mein ALG 2 gekündigt. Ich bin Bauschlosser und habe 32 Jahre lang hart gearbeitet. Nach meinem Bandscheibenunfall sollte ich Berater in einem Baumarkt werden. Auch dort: Praktikum, große Zufriedenheit meines direkten Vorgesetzten, nur leider keine Stelle. Jetzt wandere ich von Arbeitsbeschaffungsmaßnahme zu Arbeitsbeschaffungsmaßnahme und soll als Schülerlotse(!) und Baumstreichler (Forstaufsichtshilfe) herumkaspern. Früher waren das wengistens 1 Euro Jobs, aber selbst die mickrige Anerkennung ist nicht mehr drin.

    Ich beneide die jungen Praktikanten und ihre tollen Praktikas, die haben wenigstens eine Perspektive...

  • WN
    willma nichsagen

    Danke für diesen längst überfälligen Beitrag! Die Frage die bleibt ist aber, wie diese "Aufwandsentschädigung" zum Leben reichen soll. Das tut sie nämlich nicht. Und wenn man sich dann noch beurlaubt, damit man keine Studiengebühren zahlen muss, muss man sich auch noch selbst versichern - von welchem Geld? Die Aufwandsentschädigung ändert also gar nichts, solang sie so verschwindend gering bleibt. Bei einem 400€ Job verdient man für weniger Artbeitsstunden mehr Geld. Und sollte man im Bildungsministerium dann eine 40-Stunden-Woche haben, ist das ein Stundenlohn von 1,87. Hält das Ministerium diesen wirklich für angemessen?

  • R
    Rene

    1. sind 300 Euro im Monat ein Witz, davon kann man nicht mal die Miete in der jeweiligen Stadt bezahlen und 2. zahlt das Auswärtige Amt auch im Ausland keinen Cent; dafür arbeitet man 9 1/2 Stunden am Tag. Ohne Stipendium und/oder Eltern ist so ein Praktikum nicht zu realisieren.

  • FS
    Feste Stellen

    Das habe ich gestern zu den Bildungs-Berichten und unreflektierten Aufforderungen "Studiert doch alle" angekündigt: Ein Taz-Bericht wo über Praktikanten gejammert und das Gegenteil (implizit) behauptet wird: Studium bringt Hungertum. Viele Studiengänge bieten keinen akzeptablen Lohn. Man muss nicht gewählt sein und fast nichts machen, um die Hunger-Studien-Gänge zu erkennen und benennen. Wenn das Angebot schrumpft, kriegen Praktikanten mehr oder (was besser wäre) es werden feste Stellen geschaffen.

  • R
    rolfw

    Schuld an der Unsitte unbezahlter Praktika haben nicht die Behörden oder Unternehmen, schuld sind allein Neureichenkinder, deren Eltern es kein Problem ist mal eben 500 Euro zuzuschiessen, damit das Kind den tollen Praktikumsplatz bekommt und trotzdem Wohnung&Skiurlaub finanzieren kann.

     

    Wer sich das halt nicht leisten kann, der geht eben leer aus. Unternehmen&Behörden machen nur was sie müssen: Sie nutzen den strukturellen Nachfrageüberhang an interessanten (=fleischtopfnahen) Praktikumsplätzen aus.

  • R
    reblek

    "Als Praktikant bekommt man in den Bundesministerium vieles, aber selten Geld." - Möglicherweise auch keine wirklich gelungene Einweisung in die deutsche Sprache, die hinter "den" den Plural erwartet: "Bundesministerien".

    "So auch im Auswärtige Amt..." - "Auswärtigen", soviel Zeit müsste sein.

    "Praktikanten […] ersetzen keine Vollzeitstellen." - Und hier ist auch der Grund für nicht sonderlich gute Ausdrucksweise. "Praktikanten" können tatsächlich keine "Vollzeitstellen" ersetzen, weil sie keine "Stellen" sind. Was die Herrschaften meinen, ist, dass sie die Besetzung von Vollzeitstellen nicht ersetzen können.

  • K
    Katrin

    Ich finde es völlig richtig, dass die Praktikanten keine Vergütung bekommen. Denn sie leisten ja nichts im Sinne von Wertschöpfung.

    Und wer dieser Regierung noch zuarbeitet, verdient im wahrsten Sinne des Wortes nun überhaupt keine Vergütung. Denn diese Politik der Regierung und Ministerien kann man getrost in die Tonne hauen.

     

    Wer sich dort unbedingt einschleimen oder andienen will, der kann dies gern ohne Geldleistung tun. Allen anderen kann man sowieso nur raten, woanders ihr Praktikum zu machen.

  • D
    Dylan

    Schwieriges Thema.

     

    Ich habe im Hauptstudium auch ein paar (mehr oder weniger) unbezahlte Praktika gemacht und fand es ok,

    wenn ich wirklich viel gelernt habe durch das Praktikum und nicht nach wenigen Tagen eine Stelle ersetzt habe.

    Länger als vier bis acht Wochen sollten solche unbezahlten Praktika aber nicht dauern.

    Meist ergaben sich danach noch (eher schlecht) bezahlte Arbeitsmöglichkeiten.

     

    Ist übrigens auch beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk der Fall. Und nicht zuletzt bei der taz selbst, wobei man da noch einschränken kann, dass es einen Unterschied macht, wenn man bei einem genossenschaftlichen Niedrig-Budget-Projekt mitarbeitet.

    Beim ZDF oder den Ministerien wird jedoch offensichtlich am falschen Ende gespart...