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PräzendenzurteilNoch ein bisschen gleicher

Das Oberverwaltungsgericht Bremen gesteht erstmals dem Hinterbliebenen eines Soldaten rückwirkend bis 2004 auch Witwer und Sterbegeld zu.

In der Trauer spielt das Geschlecht keine Rolle - bei der Hinterbliebenenrente jetzt auch nicht mehr. Bild: dpa

Ein grundsätzliches Urteil zur Gleichstellung der eingetragenen Lebenspartnerschaft mit der Ehe hat jetzt das Oberverwaltungsgericht (OVG) Bremen gefällt. Es entschied, dass der Hinterbliebene eines Soldaten dieselben Versorgungsansprüche wie ein Witwer hat – rückwirkend bis zum Beginn des Jahres 2004 (Aktenzeichen 2 A 409/05). Das geht deutlich darüber hinaus, was Obergerichte oder die Bundesregierung Homosexuellen bisher zugestanden haben.

Geklagt hatte der Lebenspartner eines 2004 verstorbenen Oberstleutnant a.D. der Bundeswehr. Der war 1994 pensioniert worden und hatte sich nach der Scheidung von seiner Frau 2002 mit Herrn A. verpartnert. Zwei Jahre darauf verstarb er. Die Bundeswehr allerdings wollte A. weder Sterbegeld noch Witwerversorgung zugestehen. Sie lehnte jede Zahlung ab – weil es dafür keine gesetzliche Grundlage gebe: Die Alimentation von Beamten oder Soldaten erstrecke sich allein auf die Familien.

Das Verwaltungsgericht Bremen gab der Bundeswehr 2005 recht (Aktenzeichen 2 K 2499/04). Zwar liege hier „zweifellos eine Ungleichbehandlung vor“, so der Richter. Die jedoch sei legitim, Homo-Ehen müssten wegen des besonderen Schutzes von Ehe und Familie im Grundgesetz keineswegs gleichgestellt werden. Anders als Witwen und Waisen, so das Verwaltungsgerichtsurteil, habe ein hinterbliebener Lebenspartner also keinen Versorgungsanspruch. Herr A. ist – rein juristisch betrachtet – kein Witwer. In der gesetzlichen Rentenversicherung aber wurden Homo-Eheleute und verheiratete Heteropaare seinerzeit schon gleich behandelt.

Das OVG hob das Urteil nun auf – mit Verweis auf eine ähnliche Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs (VGH) in Baden-Württemberg vom vergangenen Jahr (Aktenzeichen 4 S 1773/09) und die Antidiskriminierungsrichtlinie der EU. Die Entscheidung ist bislang aber noch nicht rechtskräftig. Die Verweigerung des Witwergeldes für A. sei eine „unmittelbare Diskriminierung“ wegen seiner sexuellen Ausrichtung, sagt das OVG. Verpartnerte befänden sich „in einer mit den Eheleuten vergleichbaren Situation“. Also müssten verpartnerte BeamtInnen und SoldatInnen auch genauso behandelt werden wie verheiratete. Die rechtliche Vergleichbarkeit zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft sei „so groß“, dass die vorhandenen Unterschiede in Bezug auf die Hinterbliebenenversorgung nur „von geringer Bedeutung“ waren, so das Urteil.

Zwar war die betreffende EU-Richtlinie 2000/78 hierzulande durch rot-grün-schwarze Verschleppung auch Jahre nach ihrem Erlass noch gar nicht in deutsches Recht umgesetzt worden, auch nicht durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz von 2006. Genau das aber hätte geschehen müssen – und zwar schon bis Ende 2003. Also, so schreibt das OVG in seinem Urteil, könne sich der Kläger auch ganz unmittelbar darauf berufen, gemäß der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs. Das Verwaltungsgericht hatte das noch anders gesehen. Die EU sei bislang nicht zuständig, hieß es damals, denn die Regelung der Familienstandsverhältnisse obliege allein den Nationalstaaten.

Das OVG Bremen sei hier „vorgeprescht“, so Klägeranwalt Jörg Wegner. Selbst das VGH in Baden-Württemberg wollte nur bis 2005 rückwirkende Versorgungsansprüche anerkennen. Die eingetragene Lebenspartnerschaft gibt es jedoch schon seit 2001. Ob für die Jahre bis 2003 prinzipiell ebenfalls eine entsprechende Hinterbliebenenversorgung gezahlt werden muss, wird auch dieses Urteil nicht geklärt. Die schwarz-gelbe Bundesregierung wollte zunächst nur bis 2009 rückwirkende Ansprüche von LebenspartnerInnen gelten lassen – ein „willkürliches“ Datum, so Wegner.

Erst vergangene Woche hatte das Bundesverfassungsgericht die Ungleichbehandlung der Homo-Ehe erneut für rechtswidrig erklärt und das Ehegattensplitting auch eingetragenen LebenspartnerInnen zugestanden. Die Frage, so Wegner, sei nun, ob die Bundesregierung „sich weiter von den Gerichten vor sich herjagen lassen will“.

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