Präsidentschaftswahlen in der Ukraine: Ein demokratischer Machtwechsel
Beobachter bescheinigen der Ukraine eine rechtmäßige Wahl. Das ist das bleibende Erbe der Revolution in Orange. Doch jetzt kommt ihr Gegenspieler wieder an die Macht.
LWIW taz | Fünf Jahre nach der Aberkennung seines Wahlsiegs hat der Oppositionsführer Wiktor Janukowitsch die Präsidentschaftswahlen in der Ukraine gewonnen. Allerdings ist sein Vorsprung vor seiner Rivalin, der amtierenden Ministerpräsidentin Julia Timoschenko, geringer ausgefallen als erwartet. Am Ende trennten die beiden weniger als 3 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag mit 69 Prozent etwa 2,5 Prozentpunkte höher als beim ersten Wahlgang am 17. Januar.
Es war ein fast normaler Wahlsonntag. Im Vorfeld sah es nicht unbedingt danach aus. Immer wieder machten sich beide Kandidaten gegenseitige Vorwürfe, dass die politischen Gegner die Wahl im großen Stil zu fälschen beabsichtigten. Es wurde vor einer ernsthaften Destabilisierung gewarnt. Insbesondere das erwartete Kopf-an-Kopf-Rennen hätte dazu führen können.
Dazu ist es nicht gekommen. Zwar ist es nicht so, dass die ukrainischen Politiker nicht mehr auf die Idee kämen, Wahlen zu fälschen, doch es ist viel schwieriger und gefährlicher geworden, weil die öffentliche Kontrolle deutlich stärker ist. Wahlbeobachter der OSZE lobten gestern die Stimmabgabe als "eindrucksvolle Darstellung demokratischer Wahlen". Und Mátyás Eörsi vom Europarat sagte: "Wir sind hundertprozentig sicher, dass diese Wahl rechtmäßig abgelaufen ist."
Dieses Fazit ist allerdings das nahezu einzige sichtbare Überbleibsel der Revolution in Orange von 2004. Ein demokratischer Regierungswechsel wie bei den Parlamentswahlen 2006 und 2007 ist fast schon Normalität in der Ukraine - trotz des anhaltenden politischen Chaos.
Diese Stichwahl wurde allerdings mit Nervosität erwartet. Beide Kandidaten haben versucht, ihre Stammwähler zu mobilisieren. Im Osten und Westen des Landes wurden die Wähler auf Wunsch sogar mit gecharterten Kleinbussen zu den Wahllokalen gebracht. Insgesamt lag die Wahlbeteiligung in den westlichen und in den östlichen Regionen auch deutlich über dem Landesdurchschnitt: In den jeweiligen Hochburgen ist nur jeder vierte Wähler zu Hause geblieben.
Auch bei dieser Wahl hat die West- und Zentralukraine mit großem Vorsprung für Orange und damit für Timoschenko votiert (siehe Grafik), während die östlichen und südlichen Regionen "blau" gestimmt haben, für die Farbe Wiktor Janukowitschs. An der Spitze standen der Donbass, die Kohleregion im Osten, für Janukowitsch und das westukrainische Galizien mit Lwiw als Zentrum für Timoschenko. Diese Regionen standen jeweils zu knapp 90 Prozent hinter "ihrem" Kandidaten. Am Verlauf der Trennlinie in den Wählersympathien, die quer durch die Ukraine führt, hat sich seit 2004 nichts geändert.
Julia Timoschenko hat zum Schluss einen erbitterten Wahlkampf geführt. So konnte sie den Rückstand von mehr als 10 Prozent nach dem ersten Wahlgang auf unter 3 Prozent verkürzen. Für mehr hat es nicht gereicht.
Ausschlaggebend für ihre Niederlage war die etwas niedrigere Wahlbeteiligung in der Zentralukraine und in Kiew. Hinzu kommt auch die relativ große Zahl der Wähler, die gegen beide Kandidaten votiert haben. Von diesem Recht haben etwa eine Million Wähler Gebrauch gemacht. Laut Schätzungen der Meinungsforscher waren es in erster Linie die enttäuschten Wähler des Orange-Lagers, die sich enthielten. "Es waren Jahre der enttäuschten Hoffnungen, kommentiert Taras, ein Kleinunternehmer aus Lwiw.
Unklar ist, wie sich die politische Lage weiter gestaltet. Protestaktionen wie im November 2004 sind eher nicht zu erwarten, einen langwierigen Kampf vor den Gerichten wird es wohl auch nicht geben. Julia Timoschenko, die vor der Wahl Proteste für den Fall angekündigt hatte, dass bei der Auszählung Janukowitsch die Nase vorn haben würde, hat dies am Montag zunächst nicht erneuert. Sie könnte vorerst als Ministerpräsidentin im Amt bleiben.
Offen ist, ob es wie 2006 wieder zu einer Kohabitation zwischen den orange Parteien und der "Partei der Regionen" kommt, die Janukowitsch anführt. Janukowitsch könnte auch versuchen, eine neue Koalition im Parlament gegen Timoschenko zu schmieden. Dafür braucht er aber die Unterstützung der Partei des scheidenden Präsidenten Wiktor Juschtschenko, Nascha Ukraina. Diese Entscheidung könnte Juschtschenkos Partei endgültig zerreißen. Auch über die Möglichkeit, die Parlamentswahlen vorzuziehen, wird spekuliert. Deren Ausgang wäre aber völlig offen, und das Land ist zudem wahlmüde.
Auf jeden Fall tritt Wiktor Janukowitsch ein schwieriges Erbe an. Das Land befindet sich in einer tiefen Wirtschaftskrise, das Bruttoinlandsprodukt ist 2009 um 14,5 Prozent gesunken. Dass er der richtige Mann ist, um Reformen anzupacken und um die Korruption zu bekämpfen, ist zu bezweifeln. Eine Günstlingswirtschaft zugunsten der Klientel der "Partei der Regionen", für die Oligarchen im Osten des Landes, ist das wahrscheinlichere Szenario. Vielleicht schlägt Janukowitsch aber einen pragmatischeren Kurs ein. Janukowitsch ist als Wirtschaftspolitiker auf jeden Fall liberaler als Timoschenko, hofft der Unternehmer Taras. Ein Zeichen dafür, dass auch die Westukrainer die Wahl akzeptiert haben.
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