Präsidentschaftswahlen in Kasachstan: Almaty hat keinen Tahrirplatz
Auch in Kasachstan herrschen Korruption, Vetternwirtschaft und Arbeitslosigkeit. Dennoch hat Machthaber Nursultan Nasarbajew nichts zu fürchten.
ALMATY taz | Im staatlich kontrollierten kasachischen Fernsehen huldigen allabendlich Arbeiter und Arbeiterinnen in gelben Mützen und Schals die Weisheit des Präsidenten Nursultan Nasarbajew. Das Ergebnis der kasachischen Präsidentschaftswahl zwischen kaspischen Meer und chinesischer Grenze am 3. April steht fest, der 70jährige Steppenautokrat hat schon gewonnen. Nasarbajew regiert das Land seit 1989, damals noch als sowjetischer Funktionär. Kasachstan wurde zwei Jahre später, nach dem Zerfall der Sowjetunion, unabhängig.
Die bekannten Oppositionäre Kasachstans nehmen an dem kommenden Urnengang nicht teil. Bulat Abilow und Wladimir Kaslow scheuten den für die Kandidatur obligatorischen Test in der kasachischen Staatssprache, Alichan Baimenow hielt die Kandidatur und den Wahlkampf für sinnlos. Die drei verbliebenen Gegenkandidaten haben nur eine Statistenrolle. Nasarbajew macht nicht mal Wahlkampf. Das erledigen dessen Partei, Nur-Otan, die zu 100 Prozent das Parlament beherrscht, und angeblich spontane Initiativen, die zur Wiederwahl des "Führers" der Nation aufrufen.
Die Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa vermissen vor dem Wahltag in Kasachstan ein "Verständnis" für demokratische Wahlen. Bisher hat die OSZE keine der Wahlen in Kasachstan als "frei" oder "fair" bezeichnet.
Nasarbajew zog die Präsidentschaftswahl um ein Jahr vor, nachdem sein Machtapparat den Versuch, die Amtszeit per Referendum um 10 Jahre zu verlängern im Februar aufgab. Gegen das Referendum hatten die EU und USA scharf protestiert. Der kasachische Oppositionspolitiker Abilow vermutet, dass vor allem nach dem Sturz in Ägypten die Referendumsidee einkassiert wurde.
Die knapp 17 Millionen Staatsbürger verfolgen apathisch die demokratischen Dehnübungen der Mächtigen. Der arabische Funke ist nicht nach Kasachstan gelangt. Das Land ist der weltweit größte Uranexporteur und mit 1.5 Millionen Barrel am Tag unter den 20 wichtigsten Erdölproduzenten. Im Gegensatz zu den zentralasiatischen Nachbarn ist Kasachstan reich. Das jährliche Bruttoinlandprodukt pro Kopf ist zehnmal so hoch wie das vom Nachbarn Kirgistan.
Vetternwirtschaft und Korruption bestimmen aber auch Nasarbajews Reich. Auch wenn teilweise der aus dem Rohstoffverkauf gewonnene Reichtum in die Mittelschichten durchsickert, klagt die Bevölkerung über steigende Preise, und junge Menschen finden ohne Beziehungen oder Bestechung kaum einen Beruf. Aber die Unzufriedenheit bleibt bisher am Küchentisch und führt nicht zu politischen Aktivitäten.
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