Präsidentschaftswahl in Ruanda: “Ihr wisst, wen ihr wählen müsst!”
Bevor die Wahlergebnisse feststehen, feiert sich Präsident Paul Kagame als Sieger. Augenzeugen berichten, dass Menschen zur Stimmabgabe für Kagame gezwungen wurden.
KIGALI taz | „Tora Kagame! “, „wählt Kagame!“ – schreien die Ruander in Sprechchören im Fußballstadion, hoch oben auf einem der Hügel der ruandischen Hauptstadt. Die Stadion-Flutlichter erhellen den Nachthimmel über Kigali. Die Musik aus den Lautsprechern schallt über die Häuserdächer. Die Ruander strömen zum Stadion, um den Wahlsieg ihres Präsidenten Paul Kagame zu feiern.
Im Stadion tanzen tausende Jugendliche zum Takt der Kagame-Popsongs. Musikgruppen heizen die Menge an. Es herrscht ausgelassene Stimmung – in einem Land, das sonst nicht für sein wildes Nachtleben bekannt ist.
Als Kagame, weit nach Mitternacht, siegesgewiss die Bühne betritt – wird er mit Pfiffen und Klatschen begrüßt. „Tora Kagame!“, schreit ihm die Masse entgegen, als sei er ein Popstar. Und Kagame tanzt ausgelassen mit. Seine Minister und engsten Gefolgsleute im Hintergrund folgen ihm im Takt. Ruanda feiert Kagames Wahlsieg – noch bevor die ersten Hochrechnungen bekannt gegeben werden.
Über Lautsprecher verkündet die Wahlkommission die ersten Resultate von den Diaspora – Ruander, die in Europa oder Amerika gewählt haben. „Stimmen für Kagame in Deutschland: 61 Prozent“, hallt es durch das Stadion. Die Stimmen für die drei Oppositionskandidaten werden nicht genannt. Erst um vier Uhr, viele Jugendliche dösen bereits auf dem Rasen im Stadion, werden die ersten Ergebnisse bekannt gegeben: 93 Prozent. Bei den vergangenen Wahlen 2003 heimste er 95 Prozent ein.
Beobachter hatten sogar mit mehr Prozent gerechnet. Internationale Wahlbeobachter berichteten: In mindestens acht von ihnen besuchten Wahllokalen hätten 100 Prozent der registrierten Wähler ihre Stimmen abgegeben – all diese 100 Prozent wählten Kagame.
Im Osten des Landes wurden hunderte Menschen mitten in der Nacht aus dem Bett gezerrt, um ihren Daumenabdruck neben dem Kagame-Foto auf dem Wahlzettel zu hinterlassen. Ein Augenzeuge berichtet der taz: Die Wahllokale in einem Dorf öffneten bereits kurz nach Mitternacht. Zwischen 1 Uhr und 4 Uhr morgens hätten Menschen vor den Wahlbüros Schlange gestanden. Das Wahlgesetz besagt jedoch, dass nur zwischen 6 Uhr morgens und 15 Uhr am Nachmittag gewählt werden darf.
Ein Mann, der anonym bleiben will, sich allerdings als Dorfvorsteher und Mitglied des Präsidentenpartei RPF (Ruandische Patriotische Front) ausgibt, gibt zu, er habe Männer mitten in der Nacht durch das Dorf geschickt. Mit Megafon und lautem Klopfen auf einen leeren Wasserkanister weckten sie die Einwohner auf: „Kommt raus und geht wählen“, riefen sie: „Ihr wisst ja, wen ihr wählen müsst – denjenigen, der euch eine Kuh und eine Versicherungskarte gegeben hat!“ Kagame hatte in seiner ersten Amtszeit Krankenversicherungen eingeführt, Bauern wurde jeweils eine Kuh geschenkt, wenn sie die Subsistenzwirtschaft aufgeben.
Der Dorfvorsteher bestätigt, er habe höchstpersönlich 83 seiner Einwohner genötigt, im Schein von Paraffinlampen – offen auf dem Tisch des Wahlbüros – ihren Daumenabdruck neben dem Kagame-Foto auf dem Stimmzettel zu hinterlassen. Vielleicht erklären diese Umstände, warum zahlreiche Wahllokale bereits am frühen Vormittag 100 Prozent Wahlbeteiligung meldeten.
Wahlbeobachter der Afrikanischen Union (AU) hingegen erklärten in einer Pressekonferenz: „Ich glaube nicht, dass es Unregelmäßigkeiten in Bezug auf den Wahlbeginn gegeben hat“, sagt Anil Gayan von der AU.
Die endgültigen Wahlergebnisse werden offiziell am 17. August bekannt gegeben. Doch es besteht kein Zweifel: Kagame wird Ruanda für weitere sieben Jahre regieren. Laut Verfassung darf er zu keiner dritten Amtszeit antreten.
In einer Pressekonferenz sagte er: „Einen Nachfolger aufzupeppeln ist derzeit nicht mein Anliegen, sondern mein Problem ist, was in den nächsten sieben Jahre geschieht.“ Die größte Herausforderung sei, so ein junger Kagame-Anhänger, der im Stadion seinen Präsidenten anfeuert: „Uns Jugendlichen eine gute solide Bildung zu ermöglichen.“
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