Präsidentenwahl in Frankreich 2022: Michel Barnier will es wissen

Der konservative frühere Außenminister war Chefunterhändler bei den Brexit-Verhandlungen. Nun will er französischer Staatspräsident werden.

Michel Barnier

Michel Barnier Foto: Oliver Haslet/epa

PARIS taz | Michel Barnier wollte sich nicht zu weit von seiner Heimat in den französischen Alpen wegbewegen, als er am Donnerstagabend seine Kandidatur verkündete. „Ich bin entschlossen, Präsident eines versöhnten Frankreichs zu werden, die Franzosen zu respektieren und Frankreich Respekt zu verschaffen“, sagte der 70-Jährige, vom Lac de Bourget aus zugeschaltet, im Fernsehsender TF1.

Der hochgewachsene Konservative, der im eigenen Lager bereits eine Mitbewerberin und zwei Mitbewerber hat, versteht sich vor allem als Gegenpol zu Präsident Emmanuel Macron. Dem fast 30 Jahre jüngeren Staatschef wirft er vor, das Präsidentenamt einsam und von oben herab auszuüben. „Hier in den Bergen weiß man, dass für eine Seilschaft jeder nötig ist.“

Die beiden Männer hatten bei den Verhandlungen über den Brexit eng zusammengearbeitet, doch ihr Verhältnis hatte sich abgekühlt, nachdem Macron Ursula von der Leyen als EU-Kommissionspräsidentin an Barnier vorbeiziehen ließ. Dabei hatte der einstige französische Außenminister deutlich mehr Erfahrung: Zweimal war er EU-Kommissar, zuletzt führte er als Chefunterhändler die Verhandlungen über den Austritt Großbritanniens aus der EU. Dass er als „Monsieur Brexit“ einen guten Job machte, ist in Brüssel und den europäischen Hauptstädten unbestritten.

In Frankreich ist Barnier dagegen vielen unbekannt. Und das, obwohl er Abgeordneter, Senator und viermal Minister war. Auch bei den Konservativen, denen er seit seinem 15. Lebensjahr angehört, hat der begeisterte Bergsteiger und Skifahrer nur wenig Rückhalt. Laut einer diese Woche veröffentlichten Umfrage können nur 56 Prozent der Anhängerinnen und Anhänger der konservativen Les Républicains Barnier überhaupt politisch zuordnen. Bei Ex-Arbeitsminister Xavier Bertrand, dem derzeit aussichtsreichsten Konservativen im Rennen um das Präsidentenamt, sind es 82 Prozent.

Steif und spröde

Dennoch vergleichen konservative Politiker wie der frühere Abgeordnete Daniel Fasquelle Barnier schon mit Joe Biden. Nicht nur wegen ihres Alters, sondern auch, weil Barnier ähnlich wie Biden über die Lager hinweg einend wirken könnte. Wie der US-Präsident ist auch Barnier eher steif und spröde. „Die Politik muss von Würde begleitet werden. Ich fühle mich nicht wohl, wenn mich jemand auffordert, aus dem Nähkästchen zu plaudern oder die Leute zum Lachen zu bringen“, sagte er im Frühjahr dem Nachrichtenmagazin Le Point.

Inhaltlich unterscheidet den Vater von drei Kindern nur wenig von seinen parteiinternen Rivalen um das Präsidentenamt. In der Einwanderungspolitik schlägt er einen vorübergehenden Aufnahmestopp vor, um die Regeln für die Aufnahme von Geflüchteten neu zu formulieren.

Dem Klimaschutz, ansonsten im konservativen Lager ein Nischenthema, widmet Barnier mehr Aufmerksamkeit als seine Konkurrenz. Dass Barnier seine Ideen tatsächlich umsetzen kann, ist allerdings unwahrscheinlich: Eine Umfrage im Mai sah ihn lediglich bei sechs Prozent.

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