: Postraub der Stasi vor Gericht
■ Der Angeklagte beruft sich auf Weisungen und Befehle
Berlin (dpa) – Im Prozeß um die „Postdiebstähle“ der Stasi in Höhe von rund 32 Millionen D-Mark hat der Ex-Leiter der zuständigen Kontrollabteilung des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit, Rudi Strobel, jede Schuld von sich gewiesen. Der 65jährige sagte gestern zu Prozeßbeginn vor dem Berliner Landgericht, er habe nach den Befehlen von Minister Erich Mielke und weiteren Vorgesetzten gehandelt. „Ich fühle mich im Sinne der Anklage nicht schuldig.“
Die Staatsanwaltschaft legt Strobel Unterschlagung zur Last. Als Leiter der „Abteilung M“ habe er von 1984 bis 1989 veranlaßt, daß Devisen – von D-Mark über japanische Yen bis hin zum irakischen Dinar – im Gesamtwert von rund 32 Millionen D-Mark aus West- Postsendungen von Stasi-Angehörigen entnommen worden seien. Weiterhin soll er dafür gesorgt haben, daß Konsumgüter in einem Wert von 10,2 Millionen Ost-Mark aus Sendungen entfernt worden seien, die als sogenannte Irrläufer in die DDR gelangt waren. Der Beschuldigte sagte dazu, daß es in westlichen Postdienststellen Personen gegeben habe, die Pakete bewußt in die DDR gelenkt hätten. Strobel verteidigte sich: „Ich habe mich an Befehle und Weisungen gehalten.“ Nach Darstellung des ehemaligen Generalmajors war die Entfernung von Geld, aber auch anderen Wertgegenständen wie Schmuck oder Porzellan nur ein Abfallprodukt im Kampf gegen die Westspionage. Die Geheimdienste hätten „Geld und Pakete“ für ihre Spione in der DDR „als Äquivalent für ihre Tätigkeiten“ geschickt. Dies hätte in erster Linie unterbunden werden sollen.
Wie oft Westgeheimdienste beim Paketeschicken von der Stasi ertappt wurden, sagte Strobel freilich nicht. Die Staatsanwaltschaft hielt ihm Anweisungen vor, daß es fast Planungen für die Beschaffung von Devisen auf diese Art gegeben habe. Außerdem habe die Postkontrolle der „ökonomischen Stärkung der DDR“ gedient.
Das Verfahren ist rechtlich bedeutsam, weil der Bundesgerichtshof (BGH) im Dezember 1993 entschieden hatte, daß sich im Grundsatz Stasi-Postkontrolleure nicht strafbar gemacht hätten. Sie hätten das Geld weitergeleitet und sich damit nicht selbst angeeignet, wie dies der Tatbestand der Unterschlagung voraussetze. In dem Prozeß vor der 16. Großen Strafkammer wird es nun darum gehen, ob der Karlsruher Richterspruch auch auf Strobel anzuwenden ist.
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