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Archiv-Artikel

Post vom Parteicomputer

Wieso Kruppstreiker Laakmann zur Linkspartei wechselte

Als Helmut Laakmann aus Duisburg-Rheinhausen die SPD verließ, bekam er Post vom Parteicomputer. Ein automatisch erstellter Brief sollte ihn davon überzeugen, sich alles noch einmal zu überlegen. „Da habe ich dem Parteicomputer geantwortet, er sei viel zu doof“, sagt Laakmann. Der SPD-Computer habe nicht genug Speicherplatz, um zu verstehen, warum er ausgetreten sei. Nach 17 Jahren. „Die SPD macht Politik auf dem Rücken der Schwachen“, sagt der legendäre Krupp-Kämpfer von 1987/88. Laakmann ist in die Wahlalternative Arbeit und soziale Gerechtigkeit (WASG) eingetreten. Er kandidiert für die neue Linkspartei bei der Bundestagswahl. Laakmann spricht mit leiser, brummender Stimme, wenn er den Parteiwechsel erklärt.

November 1987. Helmut Laakmann spricht nicht leise, sondern laut. Helmut Laakmann schreit. Helmut Laakmann hält die Rede seines Lebens. Das Stahlwerk in Rheinhausen soll geschlossen werden. Werksleiter Laakmann führt den Protest der Beschäftigten an. Laakmann trägt einen silbernen Helm und einen Oberlippenbart. Vor 10.000 Stahlarbeitern im Walzwerk Rheinhausen ruft Laakmann mit weit aufgerissenen Augen: „Kruppsche Arbeiter, nehmt jetzt diese historische Stunde wahr, um endlich das auszufechten, was wir ausfechten müssen für unsere Familien, für unsere Kinder, für die Menschen in diesem Lande!“ Den Plattmachern und Kapitalisten droht er martialisch: „Auge um Auge, Zahn um Zahn!“

Er habe damals gebündelt, was viele fühlten, wird Laakmann später über diesen Auftritt sagen. Doch trotz 160 Tagen Kampf, Ausstand und Hungerstreik, trotz einer Menschenkette mit 100.000 Teilnehmer zwischen Duisburg und Dortmund wird die Hütte in Rheinhausen geschlossen. Laakmann tritt in die SPD ein, um doch noch Arbeitsplätze zu retten. Aber Versprechungen der damaligen SPD-Landesregierung, neue Arbeitsplätze anzusiedeln, gehen nicht in Erfüllung.

Steckte Ministerpräsident Johannes Rau damals von Anfang an mit den Krupp-Konzernbossen unter einer Decke, um den unrentablen Standort zu schließen? Laakmann über Rau: „Der hat uns immer noch Hoffnung gemacht, obwohl er genau wusste, dass das Werk Rheinhausen verloren war.“ Nach dem Ende des Stahlwerks versucht sich Laakmann treffenderweise als Recycling-Unternehmer. Er arbeitet mit Arbeitslosen und Ex-Kollegen für neue Hoffnung in Rheinhausen. Vor einigen Jahren gibt er auf. Heute hält sich Laakmann mit Gelegenheitsjobs über Wasser: „Ich lebe von der Hand in den Mund.“

Sein politisches Engagement bei der SPD war schon vor Jahren eingeschlafen. „Im Ortsverein haben die nur über die Wassertemperatur im Freibad geredet“, sagt Laakmann. Bei der „Wahlalternative“ werde dagegen über die großen Zusammenhänge diskutiert. Über soziale Gerechtigkeit. Falls er bei der Wahl im Herbst in den Bundestag gewählt werde, will er sich für Arbeitslose und soziale Schwache einsetzen. „Meine Frau ist Leiterin einer Hauptschule in Duisburg“, sagt Helmut Laakmann. 60 Prozent ihrer Schülerinnen und Schüler leben in Haushalten mit Arbeitslosengeld II. „Die Kinder haben keine Geodreiecke mehr“, sagt Laakmann. Da fange Armut doch an. „Das ist doch pervers.“

MARTIN TEIGELER