Portrait: Russendisko, traditionell
Wie macht man aus einem zarten Volkslied einen robusten Marsch? Ganz einfach: Man nehme den russischen Klassiker „Katjuscha“, einen russischen Militärchor, eine Prise russische Seele und einen gehörigen Schuss russischen Pathos. Mixe das Ganze gut durch, garniere es mit Frauen im Background und Tänzern in traditionellen russischen Kostümen, reiche dazu eine Balalaika und ein Bajan – fertig ist der Stoff, aus dem das Alexandrow Ensemble gemacht ist.
Das Gesangs- und Tanzensemble des russischen Armee – brummende Männerbässe, zirpende Balalaika, Kasatschok hüpfende Tänzer – ist berühmt im ehemaligen Ostblock. Wer in der Sowjetunion, in der DDR oder in einem anderen „Land des SW“ (sozialistisches Wirtschaftsgebiet) groß geworden ist, kam an dem Militärgroßchor nicht vorbei: Die Alexandrows, das war so etwas wie ein Must des sozialistischen Kulturbetriebs. Das war die Selbstvergewisserung der kommunistischen Nomenklatura, dass die was versteht von Musik, Tanz, Unterhaltung. Jetzt sind 64 Mitglieder des Ensembles, die auf dem Weg von Sotschi nach Syrien waren, in einem russischen Militärflugzeug über dem Schwarzen Meer abgestürzt.
Gegründet wurde das Ensemble 1928 vom russischen Komponisten Alexander Wassiljewitsch Alexandrow, der unter anderem die Nationalhymne der Sowjetunion geschrieben hat (die heute die Nationalhymne Russlands ist) und den Chor bis zu seinem Tod 1946 leitete.
Damals bestand das Kulturkollektiv aus zwölf Soldaten: acht Sänger, zwei Tänzer, Bajanspieler, Rezitator. In guten (sozialistischen) Zeiten gehörten über 300 Mitglieder dazu. Heute sind es rund 180. Sie halten das russische Volksgut hoch: Volkslieder, -tänze, -anekdoten.
Aber sie können auch anders. Sie covern „Skyfall“, den Titelsong des gleichnamigen James-Bond-Films, im Original von Adele gesungen. Sie legen „Show must go on“ von Queen neu auf und „We will rock you“. Sie machen auf „Sexbomb“ – fast so gut wie Tom Jones. Und wenn sie bei einem Open-Air-Konzert den Gangnam Style des Südkoreaners Psy tanzen, dann ist das großes Kino. Kult.
Simone Schmollack
Ausland SEITE 10
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen