Portrait: Der Einschüchternde
Hans-Erich Tannhäuser muss in den kommenden Monaten womöglich zusätzliche Termine absolvieren. Der Rat der südniedersächsischen Stadt Northeim hat den dortigen Bürgermeister nämlich aufgefordert, Seminare zu besuchen – in Personalführung.
Das Kommunalparlament verlangt zudem, dass der Landkreis Northeim als Kommunalaufsicht ein Disziplinarverfahren gegen Tannhäuser einleitet. Sollte der Kreis zum Ergebnis kommen, dass er disziplinarrechtlich nicht einschreiten muss, sprach der Stadtrat dem Bürgermeister schon mal vorsorglich eine Rüge wegen seines Verhaltens gegenüber seinen Mitarbeitern aus. Dem ungewöhnlichen Beschluss des Kommunalparlamentes, der einstimmig in nicht-öffentlicher Sitzung gefasst wurde, war massive Kritik am Führungsstil Tannhäusers vorausgegangen.
Der 56-Jährige ist parteilos und seit drei Jahren Bürgermeister von Northeim. Unterstützt von der FDP und zwei Wählergemeinschaften, hatte er sich bei der Wahl im September 2013 überraschend gegen den von SPD, CDU und Grünen unterstützten Gegenkandidaten durchgesetzt.
Tannhäuser ist gelernter Ingenieur. Er hat unter anderem beim Aufbau des ersten deutschen Bioenergiedorfs Jühnde im Landkreis Göttingen mitgewirkt.
Nachdem sich Beschwerden von Angestellten der Stadtverwaltung über den Umgang Tannhäusers mit seinen Untergebenen gehäuft hatten, knöpfte sich im März dieses Jahres zunächst die CDU den Bürgermeister vor. Neben Schwächen in der Mitarbeiterführung kritisierten die Christdemokraten unter anderem noch, dass der Verwaltungschef mehrere Ratsbeschlüsse nicht umgesetzt habe. Außerdem habe er den Rat bei der Vorauswahl von Bewerbern für den Posten des städtischen Bauamtsleiters vorsätzlich falsch informiert.
In seinem jetzt gefassten Beschluss stützt sich der Northeimer Stadtrat auf Stellungnahmen des Personalrats der Stadtverwaltung und des Betriebsarztes. Der Mediziner erklärte, dass seit Mitte 2014 insgesamt 17 Mitarbeiter der Verwaltung wegen des Führungsstils des Bürgermeisters zu betriebsärztlichen Beratungen bei ihm gewesen seien.
Im Schreiben des Personalrates, aus dem jetzt die Northeimer Neuesten Nachrichten zitierten, heißt es: „Über den sogenannten Flurfunk haben wir erfahren, dass insbesondere der Führungsstil des Bürgermeisters, der dazu neigt, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die nicht seiner Meinung sind, lautstark einzuschüchtern, mit ursächlich für die Mitarbeiter-Unzufriedenheit ist.“
Bürgermeister Tannhäuser will sich „wegen des laufenden Verfahrens“ derzeit nicht äußern, weder zum Ratsbeschluss noch zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen äußern. Der Vorsitzende des Stadtrats, der Sozialdemokrat Wolfgang Haendel, betonte unterdessen, dem Kommunalparlament gehe es mit seinen Beschlüssen nicht darum, Tannhäuser aus dem Amt zu drängen. Man hoffe vielmehr, dass künftig ein „gedeihliches Miteinander“ mit dem Bürgermeister möglich werde.
REIMAR PAUL
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