Portrait: Der Sündenbock
Nun haben ihn die Pannen der Vergangenheit doch noch eingeholt: Kaum war der Verbleib des Hamburger SV in der Fußballbundesliga besiegelt, trennte der Klub sich von seinem Sportchef Peter Knäbel. Statt weiter diplomatisch von „unterschiedlichen Vorstellungen“, wie noch in der ersten Pressemitteilung, redete Vorstandschef Dietmar Beiersdorfer gestern Nachmittag doch noch Klartext: „Die Frage, wie wir Spieler auswählen, die Mannschaft aufbauen, in der Entwicklung weiterkommen: Das hat sich seit einiger Zeit nicht gebessert.“
Damit ist der schwarze Peter für eine wieder einmal enttäuschende Saison gefunden. Es schon als Erfolg werten zu wollen, dass der Klassenerhalt ohne Relegationsspiele erreicht wurde – erstmals seit drei Jahren –, hatte Aufsichtsratschef Karl Gernandt schon vorher als „Ohrfeige“ bezeichnet. Eine Ohrfeige für Knäbel: Beiersdorfer hat entschieden, seine Arbeit in Zukunft einfach mitmachen zu wollen. Was der eine in eineinhalb Jahren als Vollzeitkraft nicht hinbekommen hat, traut sich der andere nun also in Teilzeit zu.
Dabei hat Knäbel seinen größten Fehler gemacht, als er für seinen Chef die Kastanien aus dem Feuer holen wollte. Im Frühjahr 2015 fand der HSV keinen Nachfolger für den entlassenen Trainer Joe Zinnbauer, weil Beiersdorfers Wunschtrainer Thomas Tuchel noch nicht wollte, für den Sommer aber fest eingeplant war. In einer Mischung aus Opferbereitschaft und Selbstüberschätzung setzte sich Knäbel selbst auf die Trainerbank – und ramponierte seinen Ruf nachhaltig. Die Affäre um einen gestohlenen Rucksack mit sensiblen Spielerdaten schien da nur zu gut ins Bild zu passen; hinzu kam ein verpatzter Wintertransfer, für den ihn der abgebende Verein aus Bern verantwortlich machte.
Verpflichtet hatte Beiersdorfer den in der Schweiz erfolgreichen Fußballmanager, der einst beim FC St. Pauli kickte, um ein starkes Triumvirat zu bilden: den Neuen, Nachwuchsleiter Bernhard Peters und sich selbst. Nimmt man noch Trainer Bruno Labbadia hinzu, war der besonnene und nette Knäbel da von drei Alphatieren umzingelt, die ihm wenig Raum zum Handeln ließen. Den Kopf muss er nun allein hinhalten. RLO
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen