piwik no script img

PortraitDie Hippie-Frau aus Bergedorf

Silvia Kohl-Stolze spricht gerne über ihr Leben. Sie hat eine lebhafte Geschichte, die sich genauso gut in den 60er-Jahren hätte ereignen können. Aber Kohl-Stolze lebt nun mal heute in Hamburg –und sie macht das Beste draus: Auf künstlerische Art praktiziert sie Widerstand gegen die Konsumgesellschaft und die digitale Zeit.

Seit knapp 20 Jahren bestreitet Silvia Kohl-Stolze ihren Lebensunterhalt als Straßenmusikerin und Tänzerin. Vorher war sie viel unterwegs: Mit leichtem Gepäck und einer Flöte ist sie durch Europa gereist, mit dem Fahrrad oder trampend. Sie träumte von der Welt und wachte auf in Bergedorf, einem Stadtteil im Südosten Hamburgs, wo sie die Band „Rock die Straße“ getroffen hat. Seitdem spielen sie nun zusammen, covern etwa Songs von Paul McCartney, Crosby, Stills, Nash und Zazz auf den Straßen Norddeutschlands. Was die Stücke verbindet, ist, dass „sie wenig mit Konsum, aber viel mit Gefühl zu tun haben“. Besonders wichtig ist Kohl-Stolze die Nähe zum Publikum und dass verschiedene Altersgruppen zusammenkommen. Es geht ihr um gemeinsames Erleben: „Wir sind analog, wir sind da“, das ist ihr Lieblingsmotto.

Ihr politisches Interesse an Freiheit und Zusammenleben findet sich nicht nur in der Auswahl ihrer Stücke. 2013 hat sie die Organisation „Fluchtpunkt Bergedorf“ mitgegründet. Ihr Ziel war es, einer Gruppe von Flüchtlingen aus Mali und Senegal zu helfen. Sie haben ihnen bei Sprachproblemen, ärztlichen und behördlichen Schwierigkeiten geholfen. Durch ihre Hilfe haben alle eine Unterkunft in Bergedorf gefunden, zwei von ihnen direkt im Haus von Silvia Kohl-Stolze. Besser gesagt im Bus, mit dem sie sonst mit ihrer Familie zu ihren Auftritten fährt. Knapp ein Jahr hat dieser besondere Kulturaustausch gedauert, den sie als „eine tolle, witzige Zeit“ beschreibt. Das Schwierigste war am Ende, dass ihre beiden Kinder die Afrikaner nicht wieder gehen lassen wollten.

Spirituell ist Kohl-Stolze nicht so recht: Auf die Frage, ob sie gläubig ist, antwortet sie: „Ich empfinde, es gibt eine Kraft, die einen wachsen lässt, die Liebe schafft, die Sachen passieren lässt, die man nicht erklären kann.“ Anna Dotti

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen