Portrait: Der Besonnene
Ob Geiger sein Traumberuf ist? Das kann er gar nicht sagen, der Violinist Oliver Wille: Das Instrument zumindest entschieden andere. Wille, Jahrgang 1975, ist in der DDR aufgewachsen, und als seine Eltern seine musikalische Begabung erkannten, schickten sie ihn zur Musikschule. „Die haben dann die Geige für mich ausgesucht.“
Nicht die schlechteste Entscheidung: Sie traf auf echtes Talent, immerhin gründete Wille, der ab 2016 die Sommerlichen Musiktage im niedersächsischen Hitzacker leitet, mit gerade mal 14 Jahren das Kuss-Quartett und macht seither international Karriere. Und nach dem Orchesterleben sehnt er sich gar nicht.
Er wolle vielmehr aus Denkmälern Kunstwerke auf Augenhöhe machen, sagt er, die Kammermusik vom Sockel holen. Dieser Musik, die lange als Genre für Spezialisten galt, das Flair bürgerlicher Verstaubtheit nehmen.
Mit solchen Ideen ist er bei dem Festival in Hitzacker, desen 70. Ausgabe am 2. August endete, genau richtig. Die hatten bislang fast immer Streicher – Kammermusiker – als Chefs, zuletzt seit 2012 die Violinistin Carolin Widmann, die jetzt aus privaten Gründen aufhört.
Als großer Revoluzzer will sich Wille, der seit 2011 Professor für Streicherkammermusik in Hannover ist und dessen Quartett seit Jahren auch in Berliner Techno-Clubs spielt, nicht profilieren: Die Musiktage liefen gut, sagt er in seiner gesetzten, wohl überlegten Art. Da müsse man nicht viel ändern.
Vielleicht, sagt er dann noch, sei es hinzubekommen, dass die Hitzackerer sich noch stärker mit dem Festival identifizierten, das bislang vor allem Zugereiste besuchen. Und nein, er wolle die Motti der vergangenen Jahre – „Tanz“ und „Traum“ zum Beispiel – nicht fortführen. Die nächsten Musiktage sollen einfach „Treffpunkt Hitzacker“ heißen und Musiker zusammenbringen, die ihn selbst auf seinem bisherigen Weg begleitet haben.
Damit wiederum knüpft Wille an die Entstehungsjahre des vor 70 Jahren gegründeten Festivals an: Damals hatten sich nach Kriegsende aus dem Osten geflüchtete Musiker zusammengetan und musiziert: miteinander und mit ihren übers Land verstreuten Kollegen. PS
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen