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PortraitEin bisschen zurückgetreten

Hach ja, die Griechenland-Rettung ist für einen Konservativen wie Wolfgang Bosbach eine Zumutung. Hilft es, immer mehr Steuermilliarden in das verschuldete Land zu pumpen? Bosbach, 63 Jahre, glaubt nicht daran. Eigentlich hat er nie daran geglaubt.

Schon 2011 war der CDU-Innenpolitiker gegen ein Hilfs­paket für die Griechen. Wie es seine Art ist, machte er aus seinen Zweifeln kein Geheimnis. Er inszenierte sich in Talkshows als Euro-Rebell, der sich gegen Merkels Rettungskurs stellt. Legendär ist inzwischen, wie ihn der Kanzleramtschef nach einer Sitzung anfauchte: „Ich kann deine Fresse nicht mehr sehen.“ Bosbach traf das tief. Er sei nicht sicher, ob er nochmal für den Bundestag antreten wolle, sagte er später im Fernsehen. Tat er dann aber doch.

Die Drohung jedoch, die hat er seitdem oft wiederholt, böse könnte man sagen: perfektioniert. 2012 sagte er, er wolle mit seiner Minderheitsmeinung nicht zum Problemfall in der Fraktion werden. Auf Fragen, ob er sein Mandat bei neuen Hilfen abgebe, machte er nebulöse Andeutungen. Schaun wir mal. Er werde jedenfalls nicht nur Nein sagen.

Im Juni dieses Jahres, kurz bevor das Parlament das dritte Hilfspaket absegnete, sagte Bosbach: Er mache das jetzt seit fünf Jahren mit. „Ich möchte nicht die Kuh sein, die quer im Stall steht.“ Bosbach rang mit seinem Gewissen, und die Republik durfte zusehen. Als unangefochtener Talkshow-­König sitzt der CDU-Mann so oft bei Jauch, Illner und Co, als seien fünf Bosbach-Klone unterwegs. Das Haar silbergrau, der Seitenscheitel messerscharf gezogen, die Stimme sonor, so erklärt Bosbach den Deutschen die Welt. Die Griechenland-Frage ist für ihn zu einem Geschäftsmodell geworden, Rebellentum kommt gut an in den Redak­tionen.

Am Donnerstag hat Bosbach sich nun endlich entschieden. Er behält sein Bundestags­mandat, will aber den Vorsitz des Innenausschusses abgeben. Kein Karriereende also, kein Rückzug aus dem Parlament. Nur ein Minirücktritt in der Innenpolitik, der nichts mit Europa zu tun hat. Wolfgang Bosbach hat verstanden, dass sich ein Abgeordneter im Fernsehen einfach besser macht. Ulrich Schulte

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