■ Portrait: Hannsheinz Porst
foto nr. 49
Foto: Ullstein
Er hielt es „für sehr ungerecht, wenn das, was in einem Unternehmen erwirtschaftet wird, nur einem einzigen zufließt“. Er war der Meinung, „es sollte denen zufließen, die es auch tatsächlich erarbeiten“. Vor zwanzig Jahren übereignete er sein Unternehmen der Belegschaft. Hannsheinz Porst, der heute 70 Jahre alt wird, ist eine der schillerndsten Unternehmerpersönlichkeiten der Bundesrepublik. Erbe des florierenden Porst-Fotounternehmens, das sein Vater, ein fränkischer Patriarch, aufgebaut hatte. Über ein Jahr lang Strafgefangener in der bayerischen Haftanstalt Landsberg. Millionär und Marxist.
Bundesweit Aufsehen erregte Porst im Herbst 1967, als er unter Spionageverdacht verhaftet wurde. Porst war des öfteren in die damalige DDR gereist, hatte Unterredungen mit hochrangigen Politikern und auch mit Spionagechef Wolf geführt. Auf eigene Faust hatte er den deutsch-deutschen Dialog auf den Weg bringen wollen und wurde dafür zu 33 Monaten Gefängnis verurteilt. Der staunenden Öffentlichkeit bekannte Porst damals, daß er Marxist sei und ein paar Jahre lang Mitglied der FDP und der SED gewesen sei.
Als er 1972, zwei Jahre nach seiner Haftentlassung, in der Nürnberger Meistersingerhalle vor seine 1.300 Mitarbeiter zählende Belegschaft trat, schickte er sich an, den Hauptwiderspruch seines Lebens zu lösen: daß er, der Marxist, als Unternehmer die Arbeitskraft seiner Beschäftigten ausbeutete.
Fortan wurde aller Gewinn, den Foto Porst abwarf, auf das Konto der „Mitarbeiterbeteiligungsgesellschaft“ überwiesen. Wichtiger war für Porst aber das einzigartige Mitbestimmungsmodell: die Untergebenen erhielten das Recht, ihre Vorgesetzten zu wählen und abzuwählen.
Begraben werden mußte das revolutionäre Unternehmensmodell 1982. Foto Porst hatte Verluste gemacht, weil es sich trotz des schärfer gewordenen Wettbewerbs nicht zu Entlassungen und Kürzungen der übertariflichen Löhne hatte durchringen können. Das Unternehmen mußte an eine Schweizer Kapitalgesellschaft verkauft werden.
Ernüchtert stellt der Pensionär Porst, der mit seinem Sohn wieder eine Foto-Schnellentwicklungsfirma aufgebaut hat, heute fest, daß sein Interesse an einer Selbstverwirklichung am Arbeitsplatz nicht mal mehr von den Arbeitenden selbst geteilt werde. Winfried Sträter
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