Portrait: Der Rivale Aznars
■ Jordi Pujol
Jordi Pujol, der nationalistische Landesvater der Katalanen Foto: AP
„Pujol, du Zwerg, sprich spanisch!“ grölten die Anhänger des konservativen spanischen Wahlsiegers José Maria Aznar auf den Straßen Madrids, als klar wurde, daß dieser die absolute Mehrheit verfehlt hatte. Vom kleinwüchsigen Chef der katalanischen nationalistischen Convergència i Unió (CiU), Jordi Pujol, abhängig zu sein, ist für Spaniens Rechte fast noch schlimmer als eine Wahlniederlage. Immer wieder hatte Aznars Volkspartei (PP) in den vergangenen Jahren das Ende der Einheit des Vaterlandes heraufbeschworen, wenn es um Jordi Pujols Politik als Präsident der katalanischen Autonomieregierung ging.
Der heute 66jährige Sohn einer alteingesessenen bürgerlichen Familie aus Barcelona mischt seit seiner Jugend in der Politik mit, immer unter der katalanischen Fahne. 1952 spannte er sie auf einem Kirchenkongreß auf und zog mit Flugblättern in den Hafen von Barcelona, um den Marines der Sechsten US-Flotte zu erklären, was die Franco-Diktatur für die kleine rebellische Nordregion bedeutet. Am Vorabend eines Franco-Besuches in Barcelona 1960 veranlaßte er zusammen mit anderen die Aufführung der katalanischen Hymne im Musikpalast – und landete hinter Gittern. 1974, ein Jahr vor dem Tod des Diktators, gründete Jordi Pujol eine der Vorgängerorganisationen der konservativ-nationalistischen CiU. Seit 1980 ist er Chef der Autonomieregierung. Sein Ziel: Katalonien als moderne, weltoffene, sozialstaatliche Gesellschaft, eingebunden „in ein Spanien, organisiert als Vielvökerstaat“. Nicht ohne Erfolg. Nicht „die Sprache von Cervantes“, wie José Maria Aznar das Spanisch gerne bezeichnet, sondern Katalanisch wird hier gesprochen – als normale Umgangssprache bis hin zu Wirtschaft und Universität. Eine eigene Autonomiepolizei fährt Streife durch die Straßen des Landes. Und mit Museen, Konzerthallen und Flughafen zeigt sich Barcelona spätestens seit der Olympiade als Weltmetropole. Wirtschaftlich hat Katalonien den Rest des spanischen Staates weit hinter sich gelassen.
In den Amtsstuben prangt das Foto von Pujol, gleich neben der katalanischen Fahne. Die Suche nach dem Porträt von König Juan Carlos I. und dem spanischen Banner bleibt vergebens. Pujol und die CiU konstruieren eine Nation, ganz langsam und ganz lautlos, aber äußerst erfolgreich. Reiner Wandler, Madrid
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