Portrait US-Wahlkampfhelfer: Ein Deutscher für Obama
Er mobilisiert die Massen für Barack Obama. Julius van de Laar, 26, ist Wahlkämpfer für den US-Senator. Hauptberuflich, bezahlt und rund um die Uhr organisiert er den Stimmenfang.
DOYLESTOWN taz An diesem Morgen ist Julius erst um halb sechs aus dem Wahlkampfbüro gekommen und war um acht Uhr schon wieder da. Es sind noch drei Tage bis zur Vorwahl der Demokraten in Pennsylvania, geschlafen wird später im Leben. Obwohl es so aussieht, als ob Barack Obamas Konkurrentin, Hillary Clinton, noch gute sechs Prozentpunkte vorne liegt, schrumpft ihr Vorsprung täglich. Julius ist einer von denen, die für Obamas unerhörten Erfolg die Kärrnerarbeit machen. Telefonlisten ausdrucken, ehrenamtliche Wahlhelfer gewinnen, für genug Schilder und Buttons sorgen und es allen, die mithelfen wollen ein bisschen nett zu machen.
Julius van de Laar, der gerade sein Politologie-Studium in South Carolina absolvierte, hat schon jetzt eine amerikanische Karriere gemacht. Der gebürtige Heidelberger, der schon als Schüler ein Jahr in den USA verbracht hatte, bekommt 2003 eines der begehrten Sportstipendien für die Vereinigten Staaten, genauer von der Uni in Greenville. Damals wollte der groß gewachsene Mann noch professioneller Basketballspieler werden. Doch ein doppelter Kreuzbandriß beendet die Novitzky-Träume bevor sie so richtig begonnen haben. Eingeschrieben hatte er sich ohnehin für Politik- und Kommunikationswissenschaften.
Als sich im Sommer 2007 an seiner Uni ein Studenten-für-Obama-Club gründet, macht er sofort mit. Den schwarzen Senator hat er 2004 bei dessen legendärem Auftritt auf dem Parteitag der Demokraten in Boston zum ersten Mal erlebt. "Unwahrscheinlich toll", sagt Julius, sei der erste Eindruck gewesen. "Es war alles so anders als in Deutschland und so einen wie den schwarzen Politiker hatte ich einfach noch nie erlebt." Der sprach davon, ganz simpel, Menschen zusammenzubringen, das klang gut. "Auch gut für uns, in Deutschland und in Europa", meint Julius.
Als die Obama-Kampagne nach einer Diskussionsveranstaltung an der Uni anfragte, ob 60 Studenten Lust hätten ehrenamtlich zu helfen, war der Deutsche sofort dabei. Damals schrieb er mit all den anderen täglich E-Mails, machte Anrufe und alles war wie ein großes Sommerlager. Irgendwann bot ihm die Kampagne einen bezahlten Job an. Wie es möglich war, ohne Greencard die Stelle zu bekommen, möchte Julius nicht sagen. Nur soviel, dass es legal aber kompliziert war. Mittlerweile hat er ein Arbeitsvisum und arbeitet nun täglich bis zum Umfallen, obgleich er als Deutscher nicht für Barack Obama stimmen kann.
Die Arbeit die er macht ist fern des Glamours des charismatischen Obamas oder seiner elektrisierenden Reden. Julius van de Laar hat heute morgen bereits an die 90 ehrenamtliche Wahlkämpfer auf die Piste geschickt, ausgestattet mit Adressen der eingetragenen demokratischen Wähler, mit Stadtteilplänen von Doyletown, einem pittoresken Ort nordwestlich von Philadelphia. Und genauen Anweisungen, was an den Haustüren der Wähler erlaubt ist, und was nicht. Die Leute, die in sein Ladenbüro mitten in Doylestown kommen, sind oft aus New York oder dem angrenzenden New Jersey. Viele haben noch nie so etwas gemacht, Klinken putzen für einen politischen Kandidaten. Andere haben schon Plakate geklebt, als Julius van de Laar noch gar nicht auf der Welt war.
Zu ihnen gehören Diana und Peggy Kerry. Sie sind die beiden Schwestern von John Kerry, dem Senator, der 2004 für die Demokraten ins Rennen ums Weiße Haus ging und kläglich gegen George W. Bush verlor. Peggy, die ältere Schwester und hochrangige UN-Mitarbeiterin, ist schon das dritte Wochenende hier, um für den jungen Barack Obama Zettel zu verteilen und um "etwas zu tun". Ihre jüngere Schwester Diana, eine Bildungsexpertin im Staatsdienst, ist extra aus Massachussetts angereist. "Es ist wirklich toll, dass Ihr hier seid", begrüßt Julius die beiden Politikveteraninnen und macht ein bisschen Smalltalk über die Stimmung in Pennsylvania, bevor beide Frauen zu ihrer dreistündigen Tour durch die Vorgartenlandschaften des mittelständischen Doylestown aufbrechen.
Dass er ein Deutscher ist, spielt für niemanden hier eine Rolle. Julius spricht fast akzentfreies Englisch. Eher hat er Mühe, die Worte für seine Arbeit auf Deutsch zu finden. Gelernt hat er das Organisieren erst im Wahlkampf. Im letzten Sommer, in South Carolina, habe alles sehr gemächlich angefangen, "damals kamen an einem guten Tag höchstens 15 Ehrenamtliche vorbei", die meisten aber nur um sich ein paar Aufkleber zu holen. "Obama hatte damals nicht wirklich reale Chancen," sagt Julius, der anfänglich noch erklären mußte, wer dieser Obama überhaupt ist.
Aus der Liebhaber-Kampagne wurde längst ein ernsthaftes Rennen um die Präsidentschaft. Julius, der schon in South Carolina, Georgia, Virginia und Ohio mitgearbeitet hat, ist im Bucks County, einem nordwestlich an Philadelphia angrenzenden Landkreis, mitverantwortlich für drei Büros und 14 Filialen. Täglich nimmt er an vier bis fünf Telefonkonferenzen teil, um zu erfahren, was los ist im Headquarter und welche Strategie dort gefahren wird. Aber mehr noch "um zu berichten, wie die Stimmung unter den Doylstownern so ist". Die Wählerstatistik meldet er abends per Internet an die nächst höhere Ebene.
Persönlich gesprochen hat er Barack Obama nur zwei mal. Einmal davon "durfte ich ihn bei einer Wahlkampfveranstaltung an meiner Uni anmoderieren, das war schon super," freut sich Julius und zeigt auf seinem Kampagnen-Laptop die Fotos davon. Damals hatte er sich nicht vorstellen können, dass Leute für einen Politiker von Tür zu Tür gehen oder mal eben so hundert Anrufe machen, "damals fand ich diese Idee wild," sagt er.
Aber die US-Amerikaner seien einfach ganz anders drauf, wenn es ums Engagment geht, "die gehen am Sonntag mit der ganzen Familie morgens in den Gottesdienst und schenken Abends in einer Suppenküche aus", meint er. Und er selbst "macht das alles auch nur für Barack" wie er ihn nennt, so, als ob es ein guter Freund von ihm sei.
Das es dieses unglaubliche Engagement gibt, egal wo er hinkommt - "das macht am meisten Spaß. Dieses Gefühl, dass hier keiner wichtiger als der andere ist und wir alle zusammen arbeiten," schwärmt Julius und deutet in den Raum nebenan, wo sich ein 15-jähriger Wahlhelfer gerade mit einem Drucker zu schaffen macht und zwei ältere Damen Namensschilder schreiben. Sein Job hier sei kein Sprungbrett ins Weiße Haus, meint er bescheiden, nicht für einen wie ihn, einen Deutschen zudem. Außerdem möchte er bald wirklich wieder zurück in die Heimat, aber die Erfahrung die er in diesem Jahr gesammelt hat, die möchte er niemals missen. Und ja, er kann sich vorstellen, dass es eines Tages so einen Kandidaten wie Obama in Deutschland auch geben könnte. Für den würde er dann erst recht gerne arbeiten.
Am Morgen nach der Vorwahl in Pennsylvania wird er wissen, ob sich die vielen Wochen des mühsamen Wähler-Registrierens, die unzähligen Anrufe und die immer zu langen Tage im Büro gelohnt haben. "Pennsylvania wird schwer", sagt er nur zögerlich, er nennt es einen "harten Kampf". Nach dem harten Kampf wird man ihm sagen, wo es für ihn weitergeht. Wahrscheinlich in North Carolina.
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