Portrait Oppositionspolitiker Andrej Sannikow: Weißrusslands anderes Gesicht
Andrej Sannikow ist Mitbegründer der Bürgerbewegung Europäisches Weißrussland und politischer Gegner des autoritären Alexander Lukaschenko. Und nun kaltgestellt.
Wer sich dem Regime entgegenstellt, geht ein großes Risiko ein. Trotzdem hat die Opposition stets die Menschenrechte verteidigt und gezeigt, dass es ein anderes Weißrussland gibt", hatte der weißrussische Politiker Andrej Sannikow in einem Interview mit der taz vom November 2010 gesagt.
Dafür, Teil dieses anderen Weißrussland zu sein, muss er nun, wie so viele andere auch, einen hohen Preis bezahlen: Am vergangenen Samstag verurteilte ein Minsker Gericht Sannikow, der bei den Präsidentschaftswahlen am 19. Dezember 2010 gegen den autoritären Amtsinhaber Alexander Lukaschenko angetreten war, zu fünf Jahren Straflager. Seine Vergehen: Aufstachelung zu Massenunruhen, die er bei Protesten gegen die gefälschten Ergebnisse der Präsidentenwahlen am Wahlabend mit angezettelt haben soll.
Mit Sannikow stellt Lukaschenko einen langjährigen politischen Gegner kalt. Der Bruch geht auf 1996 zurück. Zu diesem Zeitpunkt war der heute 57-Jährige, der in den 80er Jahren beim UN-Sekretariat in New York tätig gewesen war und 1991 die Moskauer Diplomatenakademie absolviert hatte, Außenminister der Republik Weißrussland. Als Lukaschenko im November in einem manipulierten Referendum über die Aushebelung der demokratischen Verfassung und eine Verlängerung seiner eigenen Amtszeit abstimmen ließ, quittierte Sannikow den Dienst.
Ein Jahr später rief er die Menschenrechtsorganisation Charter 97 mit ins Leben und war 2008 Mitbegründer der Bürgerbewegung Europäisches Weißrussland, die eine Annäherung an die EU propagiert.
Bei seiner Festnahme am 19. Dezember 2010 wurde Sannikow, für den die grüne Bundestagsabgeordnete Marieluise Beck eine Gefangenen-Patenschaft übernommen hat, geschlagen und laut eigenen Angaben in der Haft gefoltert. "Kümmert euch um meine Nächsten", rief er nach der Urteilsverkündung im Gericht den Anwesenden zu. Aus gutem Grund. Seine Ehefrau, die kritische Journalistin Irina Chalip, steht ebenfalls vor Gericht. Zudem wurden sie und der vierjährige Sohn des Ehepaares vom KGB mit dem Tod bedroht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Neue israelische Angriffe auf Damaskus
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Umwälzungen in Syrien
Aufstieg und Fall der Familie Assad