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Portrait Nasrin SotudehKämpferin für Frauenrechte

Sie engagiert sich für die Rechte von Frauen, misshandelten Kindern und verteidigte inhaftierte AktivistInnen. Dafür soll Nasrin Sotudeh jetzt für elf Jahre hinter Gitter.

Entschiedener Protest: Gruppe von Aktivisten kämpft für die Freilassung von Sotudeh vor dem Sitz der UN in der Schweiz. Bild: dpa

Die iranische Justiz hat wieder einmal eine drakonische Strafe verhängt. Die bekannte Menschenrechtsanwältin und Frauenrechtlerin Nasrin Sotudeh soll für elf Jahre hinter Gitter und darf zwanzig Jahre lang weder ihren Beruf ausüben noch das Land verlassen.

Ihr wurden "Angriffe auf die nationale Sicherheit", "Propaganda gegen die Staatsführung" und die Mitgliedschaft in der Menschenrechtsgruppe der Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi vorgeworfen. Die 45-Jährige wurde im September 2010 festgenommen und protestierte mit Hungerstreiks gegen ihre Haftbedingungen im berüchtigten Teheraner Evin-Gefängnis.

Sotudeh, die verheiratet ist und zwei Kinder hat, schloss 1995 ihr Jurastudium ab, musste aber acht Jahre auf ihre Zulassung als Anwältin warten. So arbeitete sie zunächst als Journalistin und schrieb während der Präsidentschaft von Mohammed Chatami für reformorientierte Zeitungen vor allem über Frauenrechte.

Nachdem die Eine-Million-Unterschriftenkampagne für die Gleichheit von Frauen vor dem Gesetz 2006 ins Leben gerufen worden war, verteidigte sie zahlreiche inhaftierte Aktivistinnen, ohne Geld dafür zu verlangen. Sie engagierte sich für die Rechte misshandelter Kinder und setzte sich für Gefangene ein, die zum Tode verurteilt wurden, obwohl sie ihre Taten als Minderjährige begangen hatten. Für ihre Aktivitäten erhielt Sotudeh 2008 den italienischen Menschenrechtspreis, den sie wegen eines Ausreiseverbots nicht entgegennehmen konnte.

Im Vorfeld der umstrittenen Präsidentschaftswahlen im Juni 2009 war Sotudeh Mitbegründerin einer Gruppe, die sich für die Berücksichtigung der Rechte von Frauen einsetzte. Nach der Wahl unterstützte sie die "Grüne Koalition der Frauenrechtsbewegung". Sie verteidigte politische AktivistInnen, die im Zuge der Niederschlagung der Grünen Bewegung festgenommen wurden.

Zahlreiche internationale Menschenrechtsorganisationen haben sich für die Freilassung von Sotudeh eingesetzt. Aber auch im Iran erhielt sie Unterstützung. Drei ihrer Kolleginnen, die einen offenen Brief für ihre Freilassung unterschrieben, verschwanden im November ebenfalls im Gefängnis.

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4 Kommentare

 / 
  • PS
    Post Scriptum

    Liebe TAZ, der Kommentar ist extrem lang, es würde mich aber außerordentlich freuen, wenn er trotzdem veröffentlicht wird.

     

    @ BaronDurchausen:

     

    Es ist mir völlig klar, dass man in Iran für eigentlich Selbstverständliches nicht nur jahrelange Haft sondern auch die Todesstrafe riskieren kann (deswegen unterstreiche ich auch das Private). Dass man in iranischer Öffentlichkeit besser nicht einmal in Sichtweite von „radikalerem“ Gedankengut kommen sollte (oder öffentlich gesehen werden sollte), wenn man am eigenen Leben hängt oder, mit etwas Glück, „nur“ zu einem „Gerichtssaal“ kommt, der eigentlich nur die Vorhalle des Gefängnisses ist, das weiß ich auch. Dass dabei in Iran zwischen politischem Engagement, öffentlicher freier Meinungsäußerung, künstlerischer, wissenschaftlicher oder Medienfreiheit nicht unterschieden wird, d.h. ob man sich für etwas politisch engagiert oder nur Ideen präsentiert und sich damit auseinandersetzt, ohne dass sie den eigenen notwendigerweise entsprechen würden oder sollten, das ist mir auch bewusst. Trotzdem kann ich Ihnen nicht zustimmen, dass das zweite (die bloße Auseinandersetzung, z.B. im Hörsaal oder Zeitung, usw.), dort, wo es tatsächlich stattfinden kann (d.h. nicht in Iran – noch einmal möchte ich jedoch das Private, auch in Iran, unterstreichen), als „taktische Mimikri“ zu bezeichnen wäre, denn genau darauf habe ich abgezielt, da Engagement für Ideen, an die man nicht glaubt, selbstverständlich mindestens sinnlos ist, und m.E. im Bereich PR und Marketing bleiben sollte, wo es auch hingehört und völlig legitim ist. Auch ist es keine „taktische Mimikri“, sich bewusst zu machen, dass „radikaleres“ Gedankengut und sein öffentliches Vorhandensein im positiven wie im negativen Sinn (von der jeweiligen politischen Position hängt es dann ab, was als positiv und was als negativ angesehen wird) gleichzeitig der Garant und die Grenze (auch wieder als positiv oder negativ verstanden, je nach der eigenen Position) für den vorhandenen (und ungefährlichen) eigenen politischen Freiraum sind. In Iran ist diese „radikale“ öffentliche Grenze (für mich in positiver Richtung), an die sich ein nicht lebensmüder Mensch heranwagen könnte, wahrscheinlich auch das Radikalste, dass in dieser Hinsicht in Iran öffentlich möglich ist, eben die Arbeit von Frau Sotudeh und vieler anderen in Iran, die sich für ähnliche Ziele einsetzen. Deswegen, um es explizit zu machen: ich respektiere zutiefst, was Nasrin Sotudeh und viele andere in Iran tun, und wenn aus meinem Kommentar herausgelesen werden kann, dass ich es in irgendeiner Weise in seiner Bedeutung entwerten möchte oder etwas Ähnliches, dann stimmt etwas wirklich nicht mit dem Kommentar, denn das war überhaupt nicht, worauf ich hinaus wollte.

    Andererseits haben Sie vollkommen recht mit der Beurteilung meines „Ratschlags“ an iranische Aktivisten: schon die Formulierung als Ratschlag ist an sich falsch, und er wäre wohl nur von lebensmüden Menschen zu befolgen, ich gebe Ihnen vollkommen recht. Deswegen ist er auch durchaus zynisch, als durchaus verwöhntes Kind einer liberalen Gesellschaft verfällt man durchaus schnell, auch ungewollt, in ego- und eurozentrische Denkmuster, die einen die existentiellen Gegebenheiten z.B. in Iran verkennen lassen. Durchaus richtig. Außerdem, wer bin ich schon, um iranischen Aktivisten irgendwelche Ratschläge zu erteilen? (glücklicherweise werden sie wohl auch kaum die Kommentare auf taz.de lesen)

    Da Sie aber zu wissen scheinen, dass ich gewisse Wörter durchaus und vielleicht viel zu oft benutze, nehme ich an, dass wir uns (mindestens was die TAZ angeht) für ähnliche Themen interessieren (firmieren Sie Ihre Kommentare auch sonst mit diesem Namen, denn er ist mir bis jetzt nicht aufgefallen?). Deswegen meine Einwände zu Ihren Einwürfen, was die „taktische Mimikri“ anbelangt: würden Sie es auch als „taktische Mimikri“ bezeichnen, wenn es darum geht, dass politisch engagierte Menschen (nicht nur in Iran) vielleicht ihre privaten Ansichten (gelebte oder gehegte Einstellungen, Gedankengut, wenn sie möchten) in der Öffentlichkeit aus irgendwelchen (berechtigten oder verständlichen Gründen, z.B. mögliche Repressalien) der Autozensur unterziehen, d.h. moderater auftreten, als sie privat eigentlich sind (natürlich kann man so etwas nur wissen, wenn man die Leute persönlich kennt, somit, wenn überhaupt, dann sehr selten, und auch dann können Menschen durchaus ihren Standpunkt ändern, „in Unterschied zu Bäumen“ – hier passt das Zitat (frei zitiert, habe es nicht nachgeschlagen), obwohl ich ungern zitiere und zu Enzensberger im Allgemeinen und Einzelnen auch Einwände hätte).

  • B
    bnrd

    iran³ - eine zeitung dreht am rad

  • B
    BaronDurchausen

    Auch wenn ich die generelle Verachtung des iranischen Systems gut nachvollziehen kann, seien mir folgende Einwürfe erlaubt:

     

    1)

    Menschen tragen immer genau das Gedankengut in sich, welches sie für richtig halten. Wie sollte man auf die Idee kommen aus taktischen Gesichtspunkten anderes Gedankengut zu verbreiten, wenn dieses nicht der eigenen Meinung entspricht?

     

    2)

    Gerade Menschen, die bereit sind für höhere Ziele persönliche Opfer zu bringen, werden sich schwer damit tun strategische Mimikri zu betreiben. Zudem würde ich mich gegenüber Menschen, die lebenslängliche Aufenthalte in Folterknästen riskieren, mit Ratschlägen zurückhalten.

  • PS
    Post Scriptum

    Ich frage mich, wie lange sich denn solche von Bigotterie und Korruption zerfressene paranoide, patriarchale und opressive Systeme halten können, bevor sie in sich selbst zusammenfallen. Ich befürchte zu lange.

    Selbst diejenigen, die davon profitieren (man unterschätzt immer, wie viele das sind!), oder mindestens die Nachwuchsgeneration aus diesen Kreisen, sollten doch mittlerweile eine kritische Haltung und kollektiven Mut dazu (individuelle Courage kommt sowieso viel seltener vor) entwickeln können, außerdem gibt es in Iran eine breite „gut situierte“, d.h. finanziell ziemlich unabhängige „Mittelschicht“, die den Reformgedanken tragen könnte, das sollte doch schneller gehen können. Wahrscheinlich ist da strukturell noch kaum etwas zu machen, vermutlich liegt das Hauptproblem im Privaten, in den Familienstrukturen und den dadurch korrumpierten Sozialisationsprozessen und Persönlichkeitsstrukturen.

    Ich glaube, dass man sich radikalerem Gedankengut hinwenden sollte, als es jetzt getan wird in oppositionellen Kreisen in Iran, auch wenn man persönlich daran nicht recht glauben mag und radikale Theorien meistens tatsächlich im Alltag untauglich sind. Wenn man sowieso im Knast landet, auch mit moderaten Reformvorschlägen, sollte man vielleicht besser versuchen, radikalen Feminismus, radikale Gesellschafts- und Religionskritik, radikale psychoanalytische Ansätze und Sozialpsychologie u.Ä. unter die Leute zu bringen, denn man wird ja so oder so verfolgt (man bekommt dann womöglich nicht den einen oder anderen internationalen Preis, aber das sollte nicht so wichtig sein, spätestens wenn man schon im Knast sitzt). Vielleicht schafft man es eventuell dadurch, die Grenzen des Vorstellbaren so weit hinauszuschieben, dass es für moderate Reformgedanken ungefährlicher wird, sich sie anzueignen und sich kollektiv dafür einzusetzen.