Portrait Luc Jochimsen: Die Anti-Gauck-Kandidatin
Die Linke will die 74-Jährige als Bundespräsidentin. Es ist unklar, was die gestandene Politjournalistin zu dieser Kamikazeaktion getrieben hat.
Was hat sie sich nur dabei gedacht? Warum hat sie ja gesagt zu dieser Kamikazeaktion? 74 Jahre ist sie jetzt alt, eine Politjournalistin alten Schlages - Dr. Lukrezia Luise Jochimsen, genannt Luc. Die Bundestagsabgeordnete der Linken wird von ihren Genossinnen und Genossen in das Rennen um das Amt der Bundespräsidentin geschickt. Am Dienstag wurde sie der Öffentlichkeit präsentiert. Zuvor war sie der Fraktion, dem Parteivorstand, den Landesfraktionschefs und -vorsitzenden vorgestellt worden.
Viele Fragen werden die Genossen wohl nicht gehabt haben. Man kennt sich. Luc Jochimsen, die Frau mit der auffälligen Tuff-Frisur, sitzt seit fünf Jahren im Bundestag. Dorthin war sie über die Thüringer Landesliste gekommen, nachdem sie 2002 in Hessen gescheitert war. Im Parlament ist sie kulturpolitische Sprecherin ihrer Fraktion - und warum sie das nicht einfach unbeschadet von einer unseligen BuPrä-Debatte um ihre Person weitermachen soll, weiß man wohl einzig in der Berliner Parteizentrale.
Die Anti-Gauck-Kandidatur Jochimsens wird dieser klugen, weltläufigen Frau eher schaden denn nützen. 1936 in Nürnberg geboren, studierte sie in Hamburg Soziologie, Politik und Philosophie. 1961 promovierte sie an der Uni Münster, 1964 wurde ihr Sohn Janko geboren. Von 1975 bis 1985, also in der guten Zeit der ARD, arbeitete sie als Redakteurin des Politmagazins "Panorama". Danach erfreute sie die Zuschauer als London-Korrespondentin, bis sie 1994 Fernsehchefredakteurin des Hessischen Rundfunks wurde. Als sie 2001 in den Ruhestand ging, wurde ihr der Hessische Verdienstorden verliehen. Laudator Roland Koch sagte damals, er ehre "eine meiner schärfsten Kritikerinnen".
Dass sich so eine mit Erreichen des Rentenalters zurückziehen würde, war nicht zu erwarten. Dass sie sich 2002 der PDS anschloss, verwunderte nur die, die ihr nie zugehört hatten. Jochimsen hatte sich stets als "sozialdemokratisch-sozialistisch" beschrieben, in der Linken kann sie diese Überzeugung endlich leben. Was aber, siehe oben, immer noch nicht erklärt, warum sie sich als chancenlose Kandidatin hergibt.
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