Portrait Linkspartei-Doppelspitze: Die Pragmatikerin und der Krawallo
Sie ist bürgernah, bodenständig und in der Position nicht festgelegt. Er ist der "bajuwarische Volkstribun" – und daher können sich alle auf die beiden einigen.
Die Pragmatikerin als Erfolgsgarantin: Gesine Lötzsch aus dem Osten. Sie ist bürgernah und bodenständig, kann hart arbeiten und ist in der Position nicht festgelegt. VON SIMONE SCHMOLLACK
"Direkt gewählt - direkt erreichbar". So wirbt Gesine Lötzsch für sich an einer Uhr im Hans-Loch-Viertel in ihrem Wahlkreis Berlin-Lichtenberg. Hier holte die Politikerin der Linkspartei drei mal hintereinander (2002, 2005, 2009) das Bundestagsdirektmandat. Jetzt soll sie zusammen mit dem Ex-WASGler Klaus Ernst die Partei führen.
Die Noch-Vizefraktionsvorsitzende im Bundestag und haushaltspolitische Sprecherin gilt als "Erfolgsgarantin". Sie setzt auf Volksnähe und Bodenständigkeit.
"Unsere Gesine", wie sie in ihrem Wahbezirk gern genannt wird, zieht einfach: Sie vereint Jung und Alt, Ost und West, Frauen und Männer. Das braucht die Partei. Und Lötzsch kennt sich aus mit Finanzen, Renten, Verteidigung, Ostdeutschland.
Mittlerweile scheuen sich auch große Fernsehsender nicht mehr, die promovierte Philologin immer öfter um politische Statements zu bitten. Gesine Lötzsch kann zu allem etwas sagen. Selbst im Horst-Schlemmer-Film punktet sie durch Schlagfertigkeit. Ihre chamäleonartige Flexibilität ist ein Segen für die Partei und für sie. Sie kann aber auch ein Fluch sein.
Man weiß nämlich nicht so genau, wofür Lötzsch eigentlich steht. In den Flügelkämpfen der vergangenen Jahre hat sie sich nicht deutlich positioniert, aus den Personalquerelen der vergangenen Wochen hat sie sich weitgehend herausgehalten. Sie kann mit allen und alle können mit ihr.
Gesine Lötzsch ist ohne jede Frage ein politisches Schwergewicht. Auch und vor allem an der Seite von Klaus Ernst. Sie ist zwar keine ausgesprochene Feministin, aber dem Westmacho hat die Ostpragmatikerin trotzdem einiges entgegenzusetzen: ihre Fähigkeit zur ausgewogenen Kommunikation, ihre Grenz- und damit Krisenerfahrung durch die Wende, ihren weiten Blick für Themen.
Lötzschs politische Karriere verlief steil und ist reich an öffentlichen Schmähungen: Sie wurde 1984 SED-Mitglied, gehörte 1991 bis 1993 zum Berliner PDS-Landesvorstand und saß von 1991 bis 2002 im Berliner Abgeordnetenhaus. Seit 2002 ist sie Mitglied des Bundestags.
Als die PDS 2002 an der Fünfprozenthürde scheiterte, zog Gesine Lötzsch mit Petra Pau als einzige direkt gewählte Abgeordnete ins Parlament ein. Monatelang kämpften die beiden Frauen um einen Tisch und um Telefone. Die Medien haben das süffisant ausgeschlachtet. Und Gesine Lötzsch hat es stoisch ausgesessen.
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Keiner liebt den "bajuwarischen Volkstribun", und deswegen können sich alle auf ihn einigen. Der Krawallo aus dem Westen als Kompromiss. VON FELIX LEE
Nicht dass ihn in seiner Partei niemand leiden kann. Aber weder reicht Klaus Ernst an die intellektuelle Schärfe eines Oskar Lafontaine heran noch an den Charme eines Gregor Gysi. Dafür gilt der "bajuwarische Volkstribun" - wie Ernst zuweilen auch bezeichnet wird - als zu bissig und aufbrausend.
Geboren 1954 in München, hat Klaus Ernst die typische Laufbahn eines westdeutschen Gewerkschaftsfunktionärs hinter sich. Bereits während seiner Ausbildung zum Elektromechaniker trat der Schulabbrecher der IG Metall bei. Funktionäre wurden auf den talentierten Rhetoriker aufmerksam, schickten ihn auf diverse "Fortbildungsseminare" und banden ihn in die Gewerkschaftsarbeit ein. Es dauerte nicht lange - und er war Betriebsrat. Schließlich wurde er an der gewerkschaftsnahen Hamburger Hochschule für Wirtschaft und Politik aufgenommen, eine Uni, an der man auch ohne Abitur studieren kann.
Noch in seinem letzten Semester holten ihn Freunde der IG Metall nach Stuttgart, wo er 1984 bei der Organisation des großen Metallerstreiks zur Durchsetzung der 35-Stunden-Woche gebraucht wurde. Sein Mentor, der spätere IG-Metall-Chef Klaus Zwickel, stellte ihn als Sekretär für Bildungsarbeit und Sozialpläne ein. Bevor Klaus Ernst in die aktive Politik wechselte, war er gut zehn Jahre lang Erster Bevollmächtigter der IG Metall in Schweinfurt - und auch Mitglied der SPD. Doch dann kam Hartz IV und die Agenda 2010. Ernst wurde deren größter Widersacher. Bevor die SPD ihn rauswerfen konnte, trat er aus und gründete 2004 die "Wahlalternative Arbeit & soziale Gerechtigkeit" (WASG). Fortan gehörte er zu den Leitfiguren, die den Zusammenschluss mit der PDS in die Wege leitete. Seit 2005 sitzt er für die gesamtdeutsche Linksfraktion im Bundestag.
Die Nominierung zum Chef der Linkspartei hat Klaus Ernst keineswegs seinen politischen Weggefährten aus WASG-Zeiten zu verdanken. Im Gegenteil: Seine grantige und zuweilen auch autoritäre Art schreckt die vor allem basisdemokratisch orientierten GenossInnen aus den zumeist westdeutschen Bundesländern ab. Dass er es auf den vergangenen Parteitagen überhaupt in den Bundevorstand geschafft hat, ist vor allem den Verbänden aus dem Osten zu verdanken.
Böse Zungen aus der Bundestagsfraktion behaupten allerdings: Ein Kompromisskandidat sei Klaus Ernst allemal. Er sei weder im Osten noch im Westen sonderlich beliebt.
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