Porträt: Die irrsinnig Ehrgeizige
Vivian Heisen ist ballverrückt. Ja, es ist eine Floskel, aber so sieht ihr sportlicher Lebenslauf aus, so sieht sie sich. „Wo es einen Ball gab, auf den ich draufhauen konnte, war ich dabei“, sagt die 23-Jährige. In ihrem Heimatdorf Wiefelstede spielte sie Eishockey, wann immer im Winter die Teiche zufroren. Irgendwann kamen Fuß- und Handball dazu. Und Tennis, natürlich. Damit fing sie im Alter von sieben Jahren an. Besonders im Handball war sie erfolgreich, wurde für den Bundeskader gesichtet. Nur habe sie Mannschaftssport bald nicht mehr gereizt, sagt Heisen. „Ich wollte mich allein beweisen.“
Als sie sich ganz für das Tennis entschied, war sie zehn. Gleich nach dem Abitur wurde sie Profispielerin. „Wenn du es halbherzig machst, schaffst du es nicht nach oben.“ Und da möchte sie hin: in diesem Jahr möglichst noch bis Weltranglistenplatz 250, vielleicht 200 – ambitioniert. Gerade rangiert Heisen unter den besten 500. „Ehrgeizig war ich schon immer“, sagt sie. „Deswegen spielen meine Eltern mit mir auch keine Brettspiele mehr.“
Ihren Ehrgeiz wird sie brauchen, denn sie ist erst im Frühjahr wieder voll eingestiegen. 2014 legte sie eine Verletzung am Schienbein das ganze Jahr über lahm. Im vergangenen Herbst kam die nächste Bremse: Meniskusschaden an beiden Knien, OP. Im Herbst und Winter, eigentlich die wichtige Vorbereitungszeit für TennisspielerInnen, habe sie zwei Monate lang im Bett gelegen. Aber um langfristig gesund zu bleiben, habe es sein müssen. „Das war bitter, aber ich wollte wieder angreifen.“ Und zwar im März bei zwei Turnieren in Canberra. Nach vier Wochen Training schaffte sie es ins Achtel- und Viertelfinale, schlug Spielerinnen aus den Top 200 der Weltrangliste. „Das hat mir wieder Selbstvertrauen gegeben.“ Vielleicht ist sie deshalb so optimistisch was den Rang 250 angeht.
Für diesen Traum vom großen Tennis investiert Vivian Heisen viel. Mindestens drei Mal täglich pendelt sie für Physio, Tennis- und Fitnesstraining ins benachbarte Oldenburg. Wie die meisten TennisspielerInnen trägt sie außerdem alle Trainings- , Reise und Turnierkosten selbst. Deshalb wohnt sie noch zu Hause. Neben kleineren Sponsoren übernehmen ihre Eltern einen Großteil. „Ohne ihre Unterstützung ginge gar nichts“, sagt Heisen. Vor allem, wenn der Sport mal wieder unberechenbar ist: Oft entscheide sich erst kurz vor Turnierbeginn, ob sie es ins Starterfeld schaffe. Manchmal müsse sie innerhalb von zehn Stunden am Flughafen sein. Für andere Turniere sei sie nach London geflogen, hätte aber wieder abreisen müssen. Klingt nach Irrsinn. „Eine gesunde Portion davon hilft, um das durchzuhalten“, sagt sie. sies
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen