Porträt US-Sheriff Tom Dart: Robin Hood der Zwangsgeräumten
Tom Dart, Sheriff von Cook County, Illinois, weigert sich, Zwangsräumungen zu vollstrecken. Das Verhalten der Banken nennt er unmoralisch. Ein Porträt.
Tom Dart ist der Sheriff, der einfach nicht will. Der einstige demokratische Abgeordnete im Staatsparlament von Illinois und Wahlkampfmanager von Chicagos Bürgermeister trägt einen Sheriffstern und einen Colt. Aber er weigert sich, auf der Seite des Gesetzes zu stehen. Mitte Oktober machte Dart, 46, mit einer Presseerklärung USA-weit Schlagzeilen. Er verkündete, er habe alle Zwangsräumungen im Gefolge der Finanzkrise in seinem County in der Südstadt von Chicago eingestellt, weil die Banken sich unmoralisch verhielten. "Diese Hypothekenfirmen sehen nur Papier, keine Menschen, ihnen ist es egal, wer in ihren Immobilien lebt", schrieb Dart: "Wir werden keine weiteren unschuldigen Mieter mehr zwangsräumen. Das hört ab heute auf."
Wie alle Sheriffs der USA ist auch Dart verpflichtet, die Justiz in seinem County zu vertreten. Das heißt seit Ausbruch der Hypothenkrise für die meisten Ordnungshüter im Land täglich ein, zwei, oft mehr Zwangsräumungsbescheide auszusprechen - und sie eben auch durchzusetzen. Viele Sheriffs sind frustriert über ihre neue Hauptaufgabe, aber keiner geht so weit wie Dart. Er will nicht einsehen, warum er für "Kredithaie, die skrupellos Kredite an Leute verschleuderten, die nie hätten welche bekommen dürfen, nun skrupellos Leute rausschmeißen soll, die keine Schuld haben."
Nachdem er seine Weigerung verkündete, erhielt er am 20. Oktober prompt die gerichtliche Anweisung gefälligst seinen Job zu tun. Doch Dart denkt nicht daran. Sein Amt erhielt seit Ausbruch der Hypothekenkrise bereits 4.500 Zwangsräumungsbefehle. "Das sind noch die von vor knapp zwei Jahren, denn der ganze Prozess dauert rund 18 Monate, bis das bei mir ankommt", erklärt er.
Dart rechnet allein für Cook County mit sagenhaften 43.000 Zwangsräumungsanträgen, die noch in diesen Jahr von den Kreditgesellschaften gestellt werden - und die dann im kommenden Jahr bei ihm landen werden. Er und seine Mitarbeiter haben gerade mal drei davon bearbeitet.
Mitte der Woche lud der US-Senat den Robin Hood der Zwangsgeräumten zu einer Anhörung ein. Dart, mit Ehrenpreisen für seine Arbeit als Abgeordneter ausgezeichnet, erntete von einigen Senatoren viel Sympathie - aber wenig Unterstützung. Die ganze Misere müsse nun auf den künftigen US-Präsidenten und den neuen Kongress warten, sagte ihm Senator Dick Durbin. Dart, der als Abgeordneter selbst Vorsitzender des Justizkomittees war, ist überzeugt, juristisch auf festem Boden zu steht. "Die US-Verfassung sichert jedem den Schutz seines Eigentums zu."
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind