Porträt John Atta Mills: Zögling von Ghanas Exdiktator
John Atta Mills (64) hat mit 50,23 Prozent die Präsidentschaftswahlen in Ghana hauchdünn gewonnen. Von 1997 bis 2000 war er Vizepräsident, danach führte er die Oppositionspartei NDC.
Auf diesen Moment hat John Atta Mills mehr als acht Jahre lang gewartet. Die Parteifahnen vor seinem Hauptquartier sind hastig gegen die Staatsflagge ausgewechselt worden, um die staatsmännischen Worte von Ghanas neuem Präsidenten zu untermalen. "Die Wahl ist vorbei, es gibt kein NDC-Ghana, es gibt kein Parteien-Ghana, es gibt nur ein Ghana!", ruft der 64-Jährige in die jubelnde Menge hinein. Atta Mills hat keinerlei rhetorisches Talent, aber an seinem großen Siegestag stört das niemanden.
Drei Anläufe brauchte der Juraprofessor, der von seinen Anhängern als "netter, älterer Herr" beschrieben wird. Der "Prof" hat in London und Stanford Jura studiert und zuletzt an der Universität von Ghana Steuerrecht gelehrt. Er ist verheiratet, hat einen 19-jährigen Sohn und liebt den Sport: Eine Zeit lang stand Atta Mills als Feldhockeyprofi auf dem Platz, auch bei Ghanas Nationalmannschaft, den "Black Stars", mischt er mit.
Seine politische Karriere verdankt Atta Mills einem einzigen Mann: Jerry John Rawlings, Fliegerleutnant und Anführer von drei Putschen. Der regierte Ghana in den 80er- und frühen 90er-Jahren mit einer Mischung aus Paranoia, Populismus und Gewalt, setzte damit aber auch Jahrzehnten politischer Instabilität ein Ende. Dutzende Kritiker verschwanden spurlos, während Rawlings "strukturelle Anpassungsprogramme" der Weltbank propagierte. Für Massenprivatisierungen, die die Entlassung zehntausender Staatsangestellter zur Folge hatte, zeichnete als ökonomischer Berater auch Atta Mills verantwortlich.
1992 ließ Rawlings Wahlen zu und regierte acht Jahre als Zivilist weiter. Als seine zweite Amtszeit 2000 ablief, designierte er Atta Mills als Nachfolger. "Die Wahl von Atta Mills garantiert, dass sich nichts ändern wird", warb damals ein Parteisprecher für den damaligen Vizepräsidenten. Mit dieser Parole verlor Atta Mills 2000 und 2004 zwei Wahlen hintereinander gegen John Kufuor, der Ghana bis jetzt regiert hat. Dass Mills ein drittes Mal antreten konnte, liegt zweifellos an Rawlings anhaltendem Einfluss.
Kritiker werfen Atta Mills bis heute vor, ein Schoßhund des Exdiktators zu sein. Er dachte sogar daran, im Falle seines Sieges Rawlings als Berater einzustellen. Zuletzt ging er auf Distanz und versuchte, sich als Politiker sozialdemokratischer Prägung zu präsentieren. Er versprach Arbeitsplätze und Sozialprogramme, die aus Ghanas erwartetem Petrodollar-Reichtum finanziert werden sollen. Doch wie Atta Mills es besser machen will als einst Rawlings, unter dem die Inflation stieg und viele Unternehmen vom Staat geschlossen wurden, bleibt bislang sein Geheimnis.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!