Porträt Jörg Tauss: Der Brüllaffe der SPD
"Inter-Tauss" wurde der SPD-Politiker gerne genannt. Er war bekannt für sein Internetwissen und die Zwischenrufe in Bundestagsdebatten, die ihm den Spitznamen "Brüllaffe" bescherten.
Als "Inter-Tauss" hat man ihn schon verspottet, weil Jörg Tauss sich wie kaum ein anderer Bundestagsabgeordneter in der Netzwelt bewegte. Nach seinem Einzug in den Bundestag 1994 sei er der Erste gewesen, der eine eigene Homepage hatte, rühmte sich Tauss.
Inzwischen stellt der SPD-Politiker Videos seiner Reden auf YouTube, lädt Bilder auf die Fotoplattform Flickr und hat eine Unterstützerseite im sozialen Netzwerk Facebook. Über das Kurznachrichtenportal Twitter verschickte er am Donnerstagmittag noch den Satz: "Dürfte heute der erste MdB gewesen sein, der im Plenarsaal bei einer Debatte Twitter und Facebook angesprochen hat."
Kurz darauf gehen die ersten Meldungen über die Nachrichtenagenturen, dass Tauss Abgeordnetenbüro durchsucht wird. Der Verdacht: Besitz von kinderpornografischem Bildmaterial. In der SPD ist das Entsetzen groß, viele können sich nicht vorstellen, dass an den Vorwürfen gegen Tauss etwas dran sein soll. Doch die Anhaltspunkte der Staatsanwaltschaft sind so massiv, dass allen klar war: Tauss ist nicht mehr zu halten. Er muss seine Parteiämter niederlegen.
Und das sind einige, Tauss ist kein Hinterbänkler. Der 55-Jährige saß im Vorstand der SPD-Fraktion und war nicht nur Sprecher für Medien, sondern vor allen Dingen für Bildung und Forschung. Seit 2005 war der Gewerkschafter Tauss zudem Generalsekretär der SPD in Baden-Württemberg. Der SPD gehört er seit 1971 an.
Im Parlament hat sich Tauss über die Jahre hinweg einen Ruf als notorischer Zwischenrufer erarbeitet. Den "Brüllaffen der SPD-Fraktion" hat ihn der CDU-Politiker Steffen Kampeter einmal genannt. Doch auch innerhalb seiner Partei war Tauss nicht bei allen beliebt. Er stimmte im Herbst 2008 als einer von 20 SPD-Abgeordneten gegen das BKA-Gesetz, kurze Zeit später entzog ihm die Fraktionsspitze die Zuständigkeit für Datenschutzthemen.
Tauss war als medienpolitischer Sprecher auch zuständig für die Bekämpfung der Kinderpornografie. Erst vor drei Wochen bezog er erneut Stellung gegen Pläne von Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU), Internetseiten mit kinderpornografischen Inhalten sperren zu lassen.
"Politische Schnellschüsse" seien falsch, sagte Tauss und warnte vor "Zensurverhältnissen wie in China". Ihm hieraus einen Strick drehen zu wollen, wäre falsch, denn auch viele Experten sehen von der Leyens Sperrpläne skeptisch. Zumal Tauss gleichzeitig mehr Geld für die Ermittlungsbehörden forderte, damit diese Kinderporno-Besitzer besser aufspüren können.
Nun liegt es genau an diesen Behörden, aufzuklären, was Tauss tatsächlich getan hat.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Rückzug von Marco Wanderwitz
Die Bedrohten
Repression gegen die linke Szene
Angst als politisches Kalkül