Porträt Aydan Özoguz: Hanseatisch, nüchtern, erfolgreich
Wider die Sarrazin-Scharte: Die Integrationsbeauftragte der SPD Aydan Özoguz könnte im Dezember als erste Migrantin in den Parteivorstand aufrücken.
Viele Deutsche glauben ja, der füllige Bezirksbürgermeister von Berlin-Neukölln, Heinz Buschkowsky, müsse der Integrationsbeauftragte der SPD sein, weil der so oft in Talkshows zu diesem Thema auftritt.
Tatsächlich hält die Hamburger Bundestagsabgeordnete Aydan Özoguz dieses Amt inne. Doch die 44-Jährige ist keine, die sich gerne allzu sehr in den Vordergrund schiebt. Darum ist sie außerhalb Hamburgs bislang nur wenigen ein Begriff.
Nun könnte Aydan Özoguz trotzdem in die erste Reihe ihrer Partei aufrücken. Geht es nach Parteichef Sigmar Gabriel, soll die Genossin in den SPD-Vorstand aufsteigen – neben seine bisherigen vier Stellvertreter Olaf Scholz, Hannelore Kraft, Manuela Schwesig und Klaus Wowereit.
Gabriel hofft damit, die 15-Prozent-Migrantenquote zu erfüllen, die sich seine Partei jüngst verschrieben hat, um sich ein moderneres und weltläufigeres Gesicht zu geben und die Sarrazin-Scharte auszuwetzen.
Brüder sind Islamisten
Mit ihrer sachlichen und hanseatisch-nüchternen Art ist Aydan Özoguz da eine gute Wahl. Die Tochter türkischer Einwanderer arbeitete als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei der Körber-Stiftung, bevor sie Olaf Scholz 2001 zur Kandidatur für seine Partei in Hamburg überredete.
Bis 2008 saß Özoguz in der Bürgerschaft der Hansestadt, seit 2009 gehört sie dem Bundestag an. Und wäre ihr Ehemann, der SPD-Politiker Michael Neumann, nach dem Hamburger Wahltriumph seiner Partei im März 2011 dort nicht Innensenator geworden, wäre sie selbst wohl für einen Senatorenposten infrage gekommen.
Als ernstes Karrierehemmnis galt bisher, dass es sich bei Aydan Özoguzs beiden älteren Brüdern Yavuz, 52, und Gürhan, 48, um stadtbekannte Islamisten handelt, die ein proiranisches und antiisraelisches Internetportal betreiben. Özoguz und ihr Ehemann sind mit diesem Umstand aber stets offensiv umgegangen. Außerdem führen sie gerne ins Feld, dass zwei ihrer Cousins, die in der Türkei leben, in der bekannten Ska-Band Athena spielen, die Brüder also nicht für die ganze Familie stehen.
Im Dezember entscheidet der Bundesparteitag in Berlin, ob Aydan Özoguz in den Vorstand der SPD gewählt wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag