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Archiv-Artikel

Porsch darf verdächtigt werden

Das Urteil im Hamburger Medien-Prozess wegen Stasi-Vorwürfen gegen den sächsischen PDS-Spitzenkandidaten wurde auf nach der Landtagswahl vertagt

Hamburg taz ■ Es geht um Grundrechte. Um das Recht, nicht einfach als wissentlicher Stasi-Mitarbeiter verunglimpft zu werden – und um das Recht auf freie Berichterstattung der Medien über Stasi-Vorwürfe gegen einen Politiker. Besonders brisant wird der Grundrechtsstreit, wenn eine Person im Fokus steht, die zwei Tage später als Spitzenkandidat und möglicher Ministerpräsident eines Bundeslandes zur Wahl steht. Die Rede ist von Peter Porsch, dem sächsischen PDS-Fraktionschef, und von seiner DDR-Vergangenheit. In welcher Form die Presse über Porschs Stasi-Kontakte berichten darf, darüber verhandelte gestern die Medienkammer des Hamburger Landgerichts.

Der Fall: Der Focus hatte am 9. August enthüllt, dass der PDS-Politiker als „IM Christoph“ der Staatssicherheit zugearbeitet haben soll, die Hauptverwaltung A (HVA) etwa mit Infos über eine private Lesung der DDR-Autorin Christa Moog versorgt haben soll. Zahlreiche Zeitungen druckten die Behauptungen, die durch Akten aus der Birthler-Behörde gestützt werden, nach. Porsch bestreitet nicht, als „IM“ geführt worden und von der HVA „abgeschöpft“ worden zu sein. Nur habe er nie wissentlich mit dem DDR-Geheimdienst zusammengearbeitet. Die fraglichen Informationen seien ihm unter Vorspiegelung falscher Tatsachen entlockt worden.

Als Reaktion auf die veröffentlichten Stasi-Vorwürfe unterzog Porsch mehr als ein halbes Dutzend Zeitungen mit Unterlassungserklärungen und setzte im Eilverfahren vor dem Hamburger Landgericht durch, dass über die gegen ihn erhobenen Vorwürfe fast gar nicht mehr berichtet werden darf. „Wir sind so im Wahlkampf auf unerträgliche Weise an einer Berichterstattung gehindert worden“, klagt etwa der Chefredakteur der Chemnitzer Freien Presse, Dieter Soika. Porsch wiederum beklagt, durch die Stasi-Vorwürfe seinen Lehr-Job an der Universität Leipzig verloren zu haben.

Ein Urteil sprach das Hamburger Gericht, das über die Widersprüche der Freien Presse und der Sächsischen Zeitung gegen den ihnen im Eilverfahren auferlegten Maulkorb zu verhandeln hatte, gestern nicht. Es verlegte seinen Schiedsspruch auf kommenden Freitag, wenn die Ergebnisse der sächsischen Landtagswahl feststehen.

Allerdings gaben die RichterInnen einen deutlichen Fingerzeig, wie sie die vorliegenden Birthler-Akten bewerten. Danach gibt es in den Unterlagen genügend „Anknüpfungspunkte für eine zulässige Verdachtsberichterstattung“ darüber, dass Porsch „willentlich und wissentlich als IM für die Stasi tätig“ war.

Allerdings würden die Stasi-Aufzeichnungen den letzten Beweis „für die Glaubhaftmachung einer bewussten Tätigkeit“ für den DDR-Spitzeldienst schuldig bleiben – dass Porsch unwissentlich „abgeschöpft“ wurde, sei nicht eindeutig zu widerlegen. Deshalb gehe jeder Bericht zuweit, der eine ausgewogene und „offene Verdachtsberichterstattung“ verlasse und nahelege, es könne kaum Zweifel daran geben, dass Porsch die Stasi freiwillig mit Informationen bediente.Marco Carini