STANDBILD: Populismus, wie wir ihn lieben
■ "Riskant!", "Der Preis ist heiß", "Sterntaler", Mi., RTL plus, ab 16.45 Uhr
Welch ein Luxus, an einem sonnigen Mittwoch nachmittag schon um 16.45 Uhr vor der Glotzkommode zu hängen! Frau Bratbecker von nebenan kann es gar nicht fassen und schüttelt nur verwundert den Kopf. Aber das muß man doch mal erlebt haben, was da von RTL als „Drei vor sechs“ lautstark angekündigt wird. Drei Spielshows also, und jede hat ihren Reiz. Den Anfang macht Riskant!, eine abgespeckte Version von Wim Thoelkes Der große Preis unter der Leitung des ehemaligen Eisprinzen Hans-Jürgen Bäumler und der intellektuelle Part dieser Gewinn- und Verlusttrilogie. Die Kandidaten sind Kunstmaler oder machen irgendetwas in der Werbung und wissen sogar, was Hydrologie ist. Die Show funktioniert so: Auf einer Videowand leuchtet ein mit einem gewissen Geldwert verknüpftes Statement auf, zu dem die Bewerber dann die richtige Frage wissen müssen. Dabei kommen dann, von mir in die richtige Reihenfolge gebracht, Kombinationen heraus wie etwa: „Was ist das Wasser?“ — „Beschaffenheit und Verhalten dieses Stoffes erforscht die Hydrologie.“ Oder: „Wer ist Johannes, der Täufer?“ — „Auch Jesus wurde von ihm getauft.“ „Das ist schön, das macht Spaß“, jubelt Bäumler. Quatsch! Da loben wir uns doch die nachfolgende Rateshow Der Preis ist heiß, schon jetzt ebenso eine Legende wie ihr Spielleiter Harry Wijnvoord, vermutlich ein Enkel des unvergessenen Lou van Burg. Wenn Harry vor sein Publikum tritt, dann tanzt der Bär, rauscht der Wildbach, brennt die Luft. So um die 200 Zuschauer toben, johlen und krakeelen, daß man schier Angst bekommen möchte um die drei stummen Assistentinnen, die sich tapfer zwischen die Kandidaten und die Preise werfen. Aus dieser entfesselten und wie lobotomisiert randalierenden Meute werden die Kandidaten ausgewählt, repräsentativ wie die Bewohner der Lindenstraße, auch ein Italiener aus Sizilien darf mittippen. Das Spiel besteht darin, den Verkaufspreis ganz gewöhnlicher Gegenstände zu erraten. Vorher aber offeriert ein Jahrmarktschreier namens Walter aus dem Off jede Konfekttüte, Haushaltsschere und Suppendose mit einer Verve und einem Enthusiasmus, als gelte es die Rolling Stones anzusagen. Vor der Kamera versucht derweil eine der Assistentinnen, durch lebhaftes Mienenspiel und heftiges Rangieren der Gesichtszüge das Gesagte zu unterstreichen und von der Banalität des Gezeigten abzulenken. Herrlich! Das ist Populismus, wie wir ihn lieben.
Birgit Janhsen drosselt dann mit Sterntaler das Tempo, um allmählich zum Regionalprogramm überzuleiten. Nur zwei Kandidaten, kein Plebs im Studio und ein Spiel, bei dem es auf gute Beobachtungsgabe und Gedächtnisleistung ankommt. Die Spieleiterin zeigt einen Filmausschnitt und fragt dann nach eigentlich unerheblichen Details. Eine nette, moderate Sache, die, dramaturgisch geschickt plaziert, den Spielnachmittag besinnlich abschließt. Ach ja, eines noch: Die Filme in den Werbeblöcken zwischen den Shows sind bezeichnenderweise noch debiler, noch mehr auf niedere Instinkte ausgelegt als die zwischen den Abendsendungen. Immerhin weiß ich jetzt aber, daß es neuerdings „Fenjala light“ gibt; vermutlich das Schaumbad für Leute, die sich entschlossen haben, niemals dick zu werden... Herr Dittmeyer
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