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Populismus in der SchweizOpfer moderner Zeiten

Die Schweiz befindet sich in einer Krise, und die populistische SVP meint, die Lösung zu kennen. Ihre polternde Strategie: Wir gegen euch. Wie konnte der Schweiz das passieren?

SVP-Bundesrat Ueli Maurer zählt zu seinen Lieblingsbüchern "Heidi". Bild: paalia – Lizenz: CC-BY

Fährt man die Zürcher Forchstrasse entlang und steigt an der Station Balgrist aus, muss man genau hinsehen. Unauffällig reiht sich die Mahmud-Moschee zwischen zwei Mehrfamilienhäuser. Die Moschee – ein zweistöckiges, weiß-graues Haus – ist mit ihrem Minarett im Vergleich zu der evangelisch-reformierten Kirche gegenüber fast klein. Als die Moschee 1963 als erste der Schweiz eröffnet wurde, erregte dies keinerlei Aufsehen. "Nette Lüt" seien die Muslime, die dort ein- und ausgingen, sagt die Inhaberin des nahen Blumenladens. "Wie manche Zürcher in die Kirche gehen, besuchen die Muslime die Moschee."

Einfach ist die Welt der nationalkonservativen Schweizerischen Volkspartei SVP: Wir hier drinnen gegen euch da draußen. Die SVP, die unter anderem aus einer Bauernpartei hervorging und gemessen an der Zahl ihrer Mitglieder drittgrößte Partei ist, hat seit den 1990er Jahren Erfolg. "Wir behandeln die Themen, die den Menschen unter den Nägeln brennen", sagt Reinhard Wegelin, ein SVP-Mitglied: "Dazu zählen die Auslandseinsätze der Schweizer Armee, der Kampf gegen das Schengen-Abkommen, gegen den EU-Beitritt sowie gegen die Zuwanderung."

Vor allem durch Ex-Bundesrat Christoph Blocher, der selbst in Parteikreisen höchst umstritten ist, stellte sich die SVP am rechten Rand des Parteienspektrums neu auf. Der polarisierende Großunternehmer und Parteivize will die SVP bei den Nationalratswahlen 2011 über die 30-Prozent-Hürde bringen. Die Chancen stehen gut: Derzeit hat sie 29 Prozent und ist damit stärkste Partei auf Bundesebene.

Populismus

In der politikwissenschaftlichen Forschung wird meist zwischen rechtsextremen und rechtspopulistischen Parteien und ihren Ideologien unterschieden. Typische Beispiele für rechtspopulistisches Gedankengut in Deutschland sind die "Schill"-Partei, sowie, als aktuelles Beispiel: die "Pro"-Bewegung. Der (Rechts-)Populismus adressiert sich an "Modernisierungsverlierer".

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Das Phänomen populistischer Parteien ist nicht neu – so gab schon um die Jahrhundertwende in den USA eine "Populist Party", die vor allen von den vom Strukturwandel (Industrialisierung) bedrohten Farmern im Süden und Westen gewählt wurde. Sie wandte sich gegen "die Banken" und "die Geldwirtschaft" an der Ostküste, gegen die "Zentralregierung" in Washington und gegen die "Gewerkschaften". Als weiteres historisches Beispiel für eine populistische Partei werden von Zeit zu Zeit die Narodniki genannt.

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Wichtige Ideologieelememente des modernen Rechtspopulismus: "Gegen Islamisierung", "gegen die da Oben", "gegen die in Brüssel (Europa)", oft auch "gegen Steuern und Abzockerei".

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Moderner Rechtspopulismus ist seit den 80er Jahren fast überall in Europa zu finden, in der Schweiz zum Beispiel mit der SVP, in den Niederlanden und in Belgien mit Vlaams Block bzw. Vlaams Belang, in Österreich mit der FPÖ/dem BZÖ - oder auch die Fortschrittparteien in Skandinavien. (jus)

Die SVP trifft einen Nerv, seitdem es für die neutrale Schweiz immer schwieriger geworden ist, sich aus einer globalisierten Welt herauszuhalten. So brachte die weltweite Finanzkrise selbst die Großbank UBS ins Straucheln, und mit 4,5 Prozent ist die Arbeitslosigkeit derzeit so hoch wie seit fast zwölf Jahren nicht mehr. Jeder fünfte Bürger ist Ausländer – das ist europaweit die dritthöchste Quote.

Jüngster Sündenbock für die SVP sind die etwa 250.000 in der Schweiz arbeitenden Deutschen, was die SVP Zürich dazu veranlasste, gegen "den deutschen Filz" an Universitäten und Kliniken zu wettern. Aus Deutschland kommen auch die Angriffe auf das wohlgehütete Bankgeheimnis: Der damalige deutsche Finanzminister Peer Steinbrück verglich 2009 im Streit um Steueroasen die Schweizer mit "Indianern".

Der Streit über eine CD mit gestohlenen Schweizer Bankdaten mutmaßlicher deutscher Steuersünder ist eine weitere Belastung für das Verhältnis zwischen den Nachbarn. Nun, da Nordrhein-Westfalen die CD tatsächlich gekauft hat, hat die SVP bei der Schweizer Bundesanwaltschaft Klage gegen Deutschland eingereicht. Bereits im Vorfeld hatte der SVP-Präsident Toni Brunner den Kauf eine „Kriegserklärung“ genannt. Die SVP Zürich meinte, durch den Kauf der CD reihe sich Deutschland "in den Club der großen Schurkenstaaten ein".

Das Ziel der SVP ist eine autarke, neutrale Schweiz: So fordert sie die Kündigung des Freizügigkeitsabkommens sowie einen Verhandlungsstopp über ein Agrarfreihandelsabkommen mit der EU. "Das Engagement für Unabhängigkeit und Neutralität und insbesondere die Ablehnung eines EU-Beitritts hat der SVP eine exklusive Position gebracht", erklärt der SVP-Generalsekretär Martin Baltisser den Erfolg der Partei.

Mit ihrem Logo – einer lachenden Sonne über grünen Wiesen – erscheint die Partei harmlos, doch sie ist es nicht. So wurde die Anti-Minarett-Initiative, zu deren größten Geschmacklosigkeiten ein Online-Spiel zählte, in dem der Spieler auf Minarette zielen musste, unter anderem von SVP-Politikern lanciert und von der SVP-Fraktion im Bundeshaus unterstützt.

Für den als liberal geltenden Imam der Mahmud-Moschee, Ahmed Sadaqat, richtete sie sich gezielt gegen Muslime: "Muslimen Minarette zu verbieten, ist diskriminierend. Für Hinduisten und Buddhisten gibt es keine Bau-Beschränkungen", sagt er.

Mit der Anti-Minarett-Initiative agierte die SVP bereits am Rande des Rechtssystems, und auch ihr jüngster Coup, die geplante "Ausschaffungsinitiative", ist umstritten. Durch sie sollen Migranten, die wegen schwerer Verbrechen verurteilt worden sind oder Sozialhilfemissbrauch begangen haben, abgeschoben werden dürfen. Das Non-Refoulement-Prinzip verbietet es aber, Menschen in Länder abzuschieben, in denen ihr Leben bedroht ist.

Jakob Tanner, Professor für die Geschichte der Neuzeit an der Universität Zürich, fasst die SVP-Strategie zusammen: "Sie schürt systematisch Ängste, sie dramatisiert Probleme, die es in jeder Gesellschaft gibt, zu unheimlichen Bedrohungen – gleichzeitig bietet sie die politische Therapie gegen die so geschürten Angstgefühle an." Dies sei "politische Scharlatanerie", sagt er.

Es sind die Ressentiments der vermeintlich Zukurzgekommenen, die auch die konservative "Weltwoche" mit Artikeln über "Schmarotzer" und "Bauernbürokraten" bedient. Jüngst schickte sie sich an, Fremdenangst durch naturwissenschaftliche Erkenntnisse zu legitimieren: "Fremde auf Distanz zu halten", resümmierte sie die These eines Psychologen, "verhindert Ansteckung und sichert das Überleben."

Die SVP bedient eine Skepsis gegenüber Fremden, die in den 1880er Jahren entstand, seitdem die Schweiz als Einwanderungsland gilt. So fand im Ersten Weltkrieg der Begriff "Überfremdung" Eingang in die Amtssprache. Im Gegensatz zu Deutschland konnten sich vereinzelte nationalistisch-rassistische Tendenzen in der Schweiz jedoch nie durchsetzen. Ein Nachdenken über den Umgang mit Fremden fand in der Schweiz deshalb nicht statt: "Das Land musste sich nie mit dem Vorwurf auseinandersetzen, rassistisch zu sein", erklärt Kurt Imhof, Professor für Soziologie an der Universität Zürich. "In der Schweiz wurde nach dem Zweiten Weltkrieg die Abneigung gegen das Fremde nie öffentlich diskreditiert."

Diese Skepsis wurde in den vergangenen zwanzig Jahren wiederbelebt und von der SVP instrumentalisiert. "Seit 1989/90 befindet sich die Schweiz in einer Orientierungskrise", erklärt Imhof. "Seitdem der Kalte Krieg mit seiner ständigen Gefahr aus dem Osten vorbei ist, und die Menschen durch die Globalisierung verunsichert sind, hat die SVP Erfolg."

Die Partei propagiere einen "Schützenvereinspatriotismus", dessen Werte sich an einer Schweiz vor der Moderne orientierten. Der SVP-Bundesrat Ueli Maurer zählt zu seinen Lieblingsbüchern denn auch "Heidi", das sich "wohltuend vom technischen Firlefanz des Kinderalltags unterscheidet", wie er sagt. Man sieht sich als Opfer moderner Zeiten – ein Gefühl, das ein 72-jähriger Zürcher Ex-Unternehmer zusammenfasst: "Wir wollen uns nicht von Fremden bestimmen lassen."

Es ist die Sehnsucht nach einer heilen, traditionellen Welt, die die SVP für ihre Wähler populär macht – dabei wissen die meisten Schweizer, dass sie auch den Zugereisten ihren wirtschaftlichen Erfolg verdanken. Kurt Imhof sieht das Land wegen der Partei in Gefahr: "Jahrelang hat die Schweiz mit der Vielsprachigkeit, der Konkordanzdemokratie und der starken Finanzwirtschaft Sicherheit geboten. Mit der SVP entsteht nun ein gefährliches und antiintellektuelles Klima, durch das die Schweiz letztlich auch materiell gefährdet ist", sagt er. Der Kampf für eine "Heidi"-Schweiz wird dem Land zum Verhängnis.

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19 Kommentare

 / 
  • S
    Schweizerin

    In der Schweiz läuft schon seit längerer Zeit sehr sehr sehr sehr vieles völlig verkehrt.

     

    Beispiel anti Minarettinitiative:

    Im Vorfeld der Abstimmung gab es 2 grosse repräsentative Umfragen. Bei der ersten Umfrage sprach sich eine grosse Mehrheit gegen die Initiative aus. Bei der zweiten Umfrage war die Mehrheit bereits nicht mehr so gross. Und als die Abstimmung dann kam, wurde die Initiative prompt angenommen. Wie kam das? Verschiedene Ursachen sind zu beachten. Erstens waren die Medien im Vorfeld der Abstimmung voll mit Berichten und Artikeln, die z.B. Unterdrückung der Frau im Islam thematisierten. (ausserdem werden in der Schweiz Nationalitäten von Personen, die z.B. in Straftaten verwickelt wurden, in der Zeitung veröffentlicht. Die Zeitungen waren voll von Ehrenmord-Stories etc.) Vor allem die kostenlosen Schmierblätter, die morgens und abends die Städte und den öffentlichen Verkehr fluten.

    Zweitens, die linken Parteien haben geschlafen. Das mag wohl auch daran gelegen haben, dass die Umfragen im Vorfeld so gut waren. Drittens, und das ist eigentlich das Schlimmste: So eine Initiative löst in der Schweiz einen weniger grossen Wirbel aus als im Ausland. Auch "gemässigte" Schweizer_innen würden z.B. in Deutschland als "rechte" gelten. Das rechte Gedankengut ist in der Schweiz sehr alltäglich ("kriminelle Ausländer_innen ausweisen" ist eine generelle Grundhaltung vieler Menschen, auch von nicht explizit rechts-wählenden), die SVP ist die grösste Partei der Schweiz, und auch wenn sie nicht von allen gewählt wird, so teilen dennoch viele Menschen zumindest einige ihrer Ansichten. Viertens: Es gab keinen alternativen Gegenvorschlag, über welchen die Wähler_innen hätten abstimmen können. Es wurde in der Bevölkerung eine derartig grosse Angst vor Islamisierung geschürt, dass sie lieber Minarette verbieten wollte, als gar nichts zu tun.

     

    was sonst noch falsch läuft: ENORM viel staatliche Repression gegen linke Aktivist_innen, massive DNA-Fichierung vieler Personen auch bei geringen Verfehlungen (Bsp Schwarzfahren), massive Überwachung durch Kameras an öffentlichen Plätzen, Echtzeitüberwachung und Datenspeicherung bei Verdächtigen Personen (verdächtig ist mensch schnell...)Immer wieder Hetze gegen Ausländer_innen, im Moment sind grad die Deutschen dran (so gibt es Vorschläge über Studiengebühren Erhöhungen für deutsche Studierende auf bis zu 10'000 Franken...), ach, da würde mir noch so einiges einfallen (Bildung,Gentrifizierung, Militär, Steuerpolitik, ...)

     

    na dann gut Nacht!

  • RB
    Roman Boderle

    So ein dofer Text, total einseitig und lückenhaft recherchiert. Schade.

  • T
    Thom

    @Robert

     

    leider ist diese Statistik nicht den Pfifferling wert, auf dem sie geschrieben steht.

    Die Wahlen finden anonym statt. Ich frage mich, wie auf diese Weise eine korrekte Statistik entstehen soll.

     

    Kommen Sie mir nun ja nicht mit "durch Umfragen bei 2000 zufällig ausgewählten Personen"....

     

    Von einer unfreundlichkeit der Schweizer merke ich übrigens nichts. Man kann sich wohl auch etwas einreden...

     

    Und zu guter letzt noch dies: Gäbe es in der Schweiz nicht derart viele Ungebildete - die Schweiz hätte wohl im Verhältnis zur Grösse ähnlich hohe Schulden wie Deutschland oder Griechenland...

     

    Ja, ich bin Schwiezer. Und ich finde, wir Ungebildeten Schweizer machen es nicht mal so schlecht.

  • FT
    Fritz Teich

    Die Kuhglockenschwinger zugunsten von Alinghi in Valencia sprachen Baende.

  • C
    clementine

    "Das Ziel der SVP ist eine autarke, neutrale Schweiz" - Da muss die SVP ja nicht viel tun, um Anklang zu finden: Die beste Wahlwerbung machen Greichenland, Portugal, Italien und der Rest der Euro-Zone, die zwar selbst immer mehr Schulden macht, für die Bescherung aber gleichwohl aufkommen muss. Man muss sich nur den Absturz des EURO betrachten, dann weiß man, wo der Hase lang läuft.

  • N
    noevil

    Kleine Erinnerung an ein eigenes Erlebnis vor einigen Jahrzehnten: Ich war mit meinen Eltern in der Schweiz in Urlaub. Während eines Spazierganges trafen wir auf ein Kind in meinem Alter in Begleitung eines älteren Herr. Ich wollte es freundlich ansprechen, doch das Kind kam mir zuvor, indem es zu mir sagte: "Du dütsche Huur". Der Herr in seiner Begleitung lächelte beifällig, legte dem Kind schützend den Arm um die Schulter und führte es an uns vorbei. Ich blieb wie vom Donner gerührt zurück. Ich fühlte mich beschmutzt ohne zu verstehen. Und ich habe es bis heute - zwar verstanden, aber - nicht vergessen.

     

    Heute haben wir Freunde und Verwandte in der Schweiz. Was dort zur Zeit vor sich geht macht beklommen und führt zu der spontanen Reaktion: Da gehen wir nur noch hin, wenn es notwendig ist.

     

    Ist das nicht traurig?

  • V
    vic

    Es ist fahrlässig, den Funken an die Lunte zu legen, der zu der weitverbreiteten Meinungssprengladung führt die in der Bevölkerung verankert ist.

    Die Schweizer Bevölkerung ist sicher nicht fremdenfeindlicher als die Deutsche, Italienische, Österreichische oder Niederländische.

    Nationale Hetzer treffen nahezu überall auf fruchtbaren Boden.

  • C
    Christian

    Warum werden hier eigentlich immer Kommentare zensiert? Ich habe vorhin einen Kommentar geschrieben, der weiß Gott nicht schlimm war.

  • BT
    Beat Thalmann

    Ein objektive und wahre Analyse. Auch wenn die SVP nicht mehr so stark ist (24% nach neusten Umfragen), ist sie trotzdem gefährlich, besonders wegen ihrer Hardliner, die dauernd in den Medien Gehör finden.

    Man muss immer auch sehen, dass 75% der Schweizer Wähler andere Parteien wählen, da ist Deutschland weitaus konservativer mit knapp 39% (CDU) plus 12% (FDP) Wähleranteil.

    Zudem muss ich auch betonen, dass nicht alle SVP-Mitglieder Parteisoldaten sind. Viele machen, wie in der Schweiz üblich, eine Konsens orientierte Politik. Die Zürcher SVP ist die, welche Sie hier als SVP bezeichnen. Leider ist sie auch die meinungsmächtigste Kantonalpartei.

     

    Auch wenn ich kein SVP-Wähler bin, teile ich ihre gemässigte Einstellung zur neutralen und freiheitlich-unabhängigen Schweiz. Ein EU-Beitritt würde uns zu stark auf Europa fixieren und uns in ein Block zwingen. Die Schweiz sollte weiterhin Vermittlerin in Streitigkeiten sein und mit allen Ländern bilateral Geschäfte machen und Beziehungen pflegen.

     

    Das schlimmste an der SVP ist abschliessend, dass diese Partei es geschafft hat, mit ihrem Populismus die Gesellschaft zu radikalisieren. Die Leute werden merklich unfreundlicher und bald dürfen unsere Bundesräte vielleicht mit Leibwächter herumlaufen, wie es Blocher schon tat. Ich (1/4 Jahrhundert) möchte eine weltoffene, neutrale, global und traditionell denkende Schweiz, welche sie zum Teil noch ist. Ich bitte alle Schweizer dies im Herzen zu bewahren, sonst geht unser Land wirklich zugrunde.

  • J
    Just@nuhb

    Interessant.

    Die "politische Scharlatanerie" gibt es wohl in jedem Land und ich kann "der Schweiz" nur zustimmen, wenn sie Deutschland als Schurkenstaat bezeichnet - nichts anderes ist treffender.

    Aber ich denke auch, dass die Schweiz derzeit sehr ähnliche Probleme hat wie wir, dass der Schweizer-Otto-Normalverbraucher in einer Zwickmühle steckt, genau wie sein ganzes Land.

    Auf der einen Seite ist die Schweiz sprichwörtlich für ihre Neutralität, auf der anderen Seite macht sie nun Politik, für die sich andere, gerade Nachbarstaaten, interessieren müssen. Balance of powers war einmal.

    Die Strategie der schweizer Rechten ist altbackend, aber effektiv. Kleinigkeiten werden zu Problemen und Probleme zu Staatskriesen aufgeblasen. Anschließend die Rettungsmöglichkeit für das Problem - dass ja eigentlich gar keins ist - repräsentieren und die Menschen entscheiden lassen, dass sie das auch wirklich wollen.

    Ich finde, dass das Machtmissbrauch ist. Ich denke, in Deutschland läuft es nicht anders; während links und rechts auf jede erdenkliche Art und Weise gegeneinander kämpfen, tobt der wahre Kampf zwischen Oben und Unten - aber solange der andere Feind noch real ist, ist das ja unwichtig. Unsere Medien berichten über Themen, die sie sich aussuchen, vieles wird totgeschwiegen und nicht berichtet und Informationen zu finden ist für den normalen Menschen unglaublich schwer geworden.

    Kümmern wir uns doch lieber zusammen um Deutschland, denn die Schweiz hat ihre eigenen Probleme. Im Auge behalten: Ja. Aber die Schweiz hat als demokratisches Land, genauso wie wir, das Recht auf Fehlentscheidungen und vor allem andere Meinungen. Wenn die Menschen dort abstimmen und dabei nichts anderes wiedergeben können, als die Meinung, die sie haben sollen, so ist das genau so wie bei uns.

    Im wesentlichen alltäglich, normalerweise für Medien vollkommen unwichtig.

    Die entscheidene Frage ist immer: Wer zieht woraus nutzen?

  • D
    Daniel

    Die "Sehnsucht" nach Tradition lässt sich wohl überall erkennen. Gerade die politische Linke ist ja in großen Teilen erstarrt darin - da ist noch Genosse, wer schon lange jeglichen Bezug verlor.

    Ich finde einige Schweizer Traditionen durchaus sehr angenehm, würde im Urlaub in den Bergen auch lieber nach einer Bergtour einen Heidi-Hof mit Schwarzbrot sehen anstelle eines McDonalds.

    Genauso finde ich es schön, in Nürnberg im Lokal zu sitzen und die Nachbarn auf fränkisch reden zu hören.

     

    Einwanderung und fremde Religionen ändern daran erstmal rein gar nichts, aber ich würde vorziehen, es nicht auf rotterdamer Niveau kommen zu lassen.

     

    Dass mit solchen Bildern zu häufig genau die Falschen angesprochen werden, liegt in der Natur der Sache, die Diskussion besitzt mittlerweile ja eine ganz eigene leicht hysterische Färbung.

    Aber wenn die Etablierten schweigen, schlägt die Stunde der Populisten.

    Und ich hätte ja lieber eine Diskussion, die von links der Mitte angestossen wird, da sie die letzten Jahre viel zu viel verschenkt hat in der Hinsicht - und nun Gefahr läuft, jegliche Meinungsführerschaft zu verlieren. Oder vielleicht schon lange verloren hat.

  • R
    Robert

    Schaut man sich die Wählerschaft der SVP an, wird einem alles klar.

     

    http://www.selects.ch/selects_07_d.pdf

     

    Das passiert halt, wenn ungebildete Leute es wagen abzustimmen. Das ist halt echte Demokratie...

  • TB
    Taha Bendeleri

    Keine Sorge:

     

    Zitat aus dem unimagazin, der Uni Zürich, aktuelle Nummer: „Homo erectus war sehr stabil. Er hielt sich etwa eineinhalb Millionen Jahre. Das ist lang, wenn man bedenkt, dass es unsere Spezies erst seit 150 000 Jahren gibt und wir schon wieder im Begriff sind, zu verschwinden.“

     

    Herzlich,

     

    Taha

  • A
    anke

    Fremde auf Distanz zu halten, mag ja in den Zeiten der Pest die eine oder andere Ansteckung verhindert haben. Im Fall der amerikanischen Indianer aber war sie die Ursache für ziemlich weitreichende Verluste. Dank eines unentwickelten Immunsystems sind ganze Völker ausgestorben, als europäische Globalisierer das erste Mal ihren Fuß gesetzt haben auf den bis dahin "unentdeckten" Kontinent. Von Amerika lernen, hieß in dem Fall: verlieren lernen. Aber das braucht die SVP und ihre Wähler nicht weiter zu beunruhigen. Mit der großen weiten Welt haben sie es ja wohl eher nicht so sehr.

     

    Übrigens: Einfach scheint nicht nur die Welt der Schweizerischen Volkspartei zu sein, sondern auch die der Kathrin Klette. Arme Heidi: noch so klein und schon so schuldig!

  • GS
    Grüßende Schnecke

    Und täglich stänkert das Murmeltier (SVP).

  • M
    Moritz

    Guter Beitrag.

     

    Gesellschaften benötigen auch immer Bedrohungsszenarien, um den inneren Zusammenhalt zu finden. Damit sich ein starkes WIR entwickeln kann, muss es auch ein DIE geben. Mit WIR wird dann das Verlässliche, das Gute, das Saubere und das Friedliche assoziiert, mit dem DIE das Böse, das Dreckige, das Betrügerische. Vorurteile dienen der Gesellschaft zur Bestätigung und zur Abgrenzung und sind unbedingt notwendig. Darum werden auch objektive Argumentationen die das Gegenteil beweisen, als irreführend und beschönigend abgelehnt. Vorurteile werden mit aller Macht verteidigt, baut doch auf ihnen das erstellte Bedrohungsszenario auf.

     

    Die Schweiz, Dänemark, Österreich oder die Niederlande sind kleine Länder und haben innerhalb Europas keine Feinde mehr. Es drohen keine Kriege oder bewaffnete Konflikte mit den Nachbarn. Da man aber dem Frieden nicht traut, sucht man sich neue Feindbilder. Ausländer und besonders Muslime bieten sich als möglicher Ersatz hervorragend an. Beten diese doch vermeintlich einen anderen Gott an und unterscheiden sich durch Hautfarbe und Essgewohnheiten. Gäbe es keine Muslime in Europa, dann können sie ganz sicher sein, dass es eine andere Ethnie treffen würde. Höchstwahrscheinlich die Osteuropäer die sich entweder „prostituieren“ oder „Autos klauen“.

     

    Ich komme aus einer verschlafenden Gegend Deutschlands. Früher lebten in meiner Heimatstadt (12.000 Einwohner) und es gab keine Ausländer. Trotzdem gab es „Ausländerfeindlichkeit“. Diese richtete sich gegen eine Nachbargemeinde in der auch zu 100 % Deutsche lebten. Obwohl die Einwohner miteinander verwandt und verschwägert waren, wurden die jeweiligen Vorurteile gepflegt und gehütet. Bei Stadtfesten kam es dann häufiger zu handfesten Auseinandersetzungen und es gab dicke Augen.

  • BT
    Beat Thalmann

    Ein objektive und wahre Analyse. Auch wenn die SVP nicht mehr so stark ist (24% nach neusten Umfragen), ist sie trotzdem gefährlich, besonders wegen ihrer Hardliner, die dauernd in den Medien Gehör finden.

    Man muss immer auch sehen, dass 75% der Schweizer Wähler andere Parteien wählen, da ist Deutschland weitaus konservativer mit knapp 39% (CDU) plus 12% (FDP) Wähleranteil.

    Zudem muss ich auch betonen, dass nicht alle SVP-Mitglieder Parteisoldaten sind. Viele machen, wie in der Schweiz üblich, eine Konsens orientierte Politik. Die Zürcher SVP ist die, welche Sie hier als SVP bezeichnen. Leider ist sie auch die meinungsmächtigste Kantonalpartei.

     

    Auch wenn ich kein SVP-Wähler bin, teile ich ihre gemässigte Einstellung zur neutralen und freiheitlich-unabhängigen Schweiz. Ein EU-Beitritt würde uns zu stark auf Europa fixieren und uns in ein Block zwingen. Die Schweiz sollte weiterhin Vermittlerin in Streitigkeiten sein und mit allen Ländern bilateral Geschäfte machen und Beziehungen pflegen.

     

    Das schlimmste an der SVP ist abschliessend, dass diese Partei es geschafft hat, mit ihrem Populismus die Gesellschaft zu radikalisieren. Die Leute werden merklich unfreundlicher und bald dürfen unsere Bundesräte vielleicht mit Leibwächter herumlaufen, wie es Blocher schon tat. Ich (26) möchte eine weltoffene, neutrale, global und traditionell denkende Schweiz, welche sie zum Teil noch ist. Ich bitte alle Schweizer dies im Herzen zu bewahren, sonst geht unser Land wirklich zugrunde.

     

    Ein Schweizer temporär in Deutschland arbeitend und in Belgien lebend.

  • CR
    Christian Relling

    Warum fällt der Mensch eigentlich immer wieder auf dieselben Dummheiten rein? Sind wir unfähig aus der Geschichte zu lernen? Es sieht leider so aus. Da bleibt mir nur die Frage, wann der Mensch endlich, wie so viele andere Gattungen auch, aussterben wird und Platz fuer etwas weiterentwickeltes macht....

  • R
    Röderli

    "Es ist die Sehnsucht nach einer heilen, traditionellen Welt, die die SVP für ihre Wähler populär macht (...)"

     

    ich denke das ist der wesentlichste Punkt.