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Archiv-Artikel

Popp Art & Pop Art

Der Trailer zu „Girls Lie“ beginnt mit dem Satz „Have I ever lied to you before?“ und der Großaufnahme eines Mädchengesichts. Musik und schnell geschnittene Bilder folgen, zeigen Körperteile, deren Besitzer irgendwo im Off kopulieren. Weitere kryptische Aussagen folgen, versetzt mit Momentaufnahmen wie aus einem künstlerisch angehauchten Dokumentarfilm. Falsch. „Girls Lie“ ist das jüngste Werk des Regisseurs Eon McKai und ein Porno. Ein ungewöhnlicher Porno, aber dafür ist der 26-Jährige inzwischen bekannt: Eon McKai ist das Wunderkind des zeitgenössischen Pornos, denn er macht Autorenpornos.

Eigentlich geht es bei Pornos vor allem um eins: Geld. Mit Pornos macht man Geld. Es gibt keinen Mehrwert. Die niedrigsten Gelüste des Betrachters werden genutzt, um ihn zum Kauf zu verleiten. Sex sells. Die Idee eines künstlerischen Autorenpornos scheint zunächst ein Widerspruch in sich. Der künstlerisch anspruchsvolle Film darf Sex benutzen und bleibt trotzdem ein künstlerisch anspruchsvoller Film. Wer im Kunstfilm vögelt, tut dies für einen höheren Zweck, nicht für niedere Triebe. Pornos bleiben Pornos.

Fakt ist: Wenn Menschen Sex haben, ähnelt sich das häufig sehr. Jeder kann vögeln. Plastikklonpornos mit auswendig gelerntem Gestöhne sind langweilig. McKai hat anderes im Sinn: „Porno-Schauspiel ist bekanntlich schlecht, also sollte man sich auf die Ästhetik konzentrieren. Und wie Warhol an die Sache rangehen.“ Sein letzter Film etwa, „New Wave Hookers“, spielt mit dem Betrachter, reißt ihn ständig aus der fiktiven Vögel-Welt wieder heraus und macht sich über ihn lustig. In mehreren Szenen weigert sich ein Mädchen völlig genreuntypisch, mit einem Mann Sex zu haben. Andere Szenen sind schlichtweg albern – darf man über Pornos lachen? „New Wave Hookers“, sagt McKai „ist kein Film, den du anmachst, nur weil du dir einen runterholen willst. Dieser Film ist für eine Gruppe von Freunden zum gemeinsamen Gucken. Der Porno wird zur Gesprächsgrundlage.“

Der Film funktioniert nur, wenn der Betrachter in der Lage ist, ihn reflektiert zu betrachten. Er ist nicht nur ein Porno, er ist eine Hommage an das ganze Genre. „Ich mochte Pornos, wie jeder Pornos mag“, sagt McKai. „Aber ich mochte sie auch noch auf eine andere Art. Denn wenn man ein wenig Herz und Seele in einen Film steckt, kann es sehr interessant werden. Wie beim Independent Film. Man konnte sehen, dass die Menschen Spa hatten. Man konnte den Puls fühlen. Der war anders.“

Seine erste Schmuddeltat beging Eon als Kunststudent. Er veröffentlichte ein Video, in dem ein Hochschulprofessor mit einer seiner Studentinnen schlief. Zwar war der echte Professor nicht sehr glücklich darüber, doch Eon deklarierte die Arbeit einfach als Kunst. Und Kunst ist an einer Kunsthochschule immer gern gesehen. Und absolut unantastbar. Nach dem Studium musste McKai das staatliche Darlehen für den Film zurückzahlen. Und so blieb dem frisch Graduierten nur die Wahl: arbeiten oder Pornos drehen. Und da er nichts als Kunst gelernt hatte, kam bei seinem Erstling wieder Kunst heraus: „Art School Sluts“ machte McKai zum Aushängeschild des neuen ultrahippen Pornosubgenres Alternative Porn.

Bekannt wurde das Genre durch die Website „Suicide Girls“ mit Fotos von gepiercten und tätowierten Schönen aus den Punk- und Gothic-Subkulturen. Erotik aus der Subkultur für die Subkultur. Sich anziehen wie ein Grufti kann jeder; McKai castet Mädchen, die aus dieser Szene stammen, und lässt ihre Charaktere auf ihren echten Persönlichkeiten basieren. „Ansonsten würde man die Subkultur ausbluten lassen“, sagt er, „aber ihr nichts zurückgeben. Ich mag die Art des Filmemachens, es ist intimer. Und das Beste: Es gibt jemanden, der dich dafür bezahlt, Pornos zu machen. Ich versuche, daraus eine legitime Kunstform zu machen.“