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Pop, Pop, Popmusik: Benjamin Moldenhauer über Schnipo Schranke im TowerDer Ekel kommt mitunter massiv

Viel ist vor zwei Jahren geschrieben worden über das Duo Schnipo Schranke, als der Hype um den Trennungssong „Pisse“ losging. Das meiste davon war positiv. Die Menschen, die das hörten, waren erfreut bis begeistert. Manche waren auch bewegt.

Besonders um diese Band verdient gemacht hat sich Kaput, das „Magazin für Insolvenz und Pop“. Im Kaput-Interview auf Youtube bekommt man die Geschichte dieser Band erzählt: Wie Daniela Reis und Friederike „Fritzi“ Ernst sich an der Musikhochschule Frankfurt kennenlernen und die Schnauze voll haben. „Das war so traurig beim Studium, weil man so viel Mühe da reingesteckt hat, und am Ende sitzen da drei halbtote Greise in der ersten Reihe. Nicht mal meine Eltern waren stolz.“

Man kann sich die Musik als beherzt durchkonzeptionierte Trotzreaktion gegen die Traurigkeit vorstellen. Trotz aus Plastik-Synthesizern, kinderliedartigen Melodien – und einer Sprache, die in ihrer selbstverständlichen, den Punkt treffenden Drastik hierzulande singulär ist.

Bei Schnipo Schranke gibt es keine Engelsstimmen, die im Indierock noch immer bestimmend sind, wenn Frauen singen. Das Debüt „Satt“ zeugte von einem klaren, materialistischen Blick auf das, was vorliegt: „Du hast mir gezeigt, dass es egal ist, wenn man liebt / schmeckt der Kopf nach Füße / und der Genitalbereich nach Pisse / Die Liebe, die macht blind / Bitte sag mir, wenn das stimmt / Warum schmeckt’s, wenn ich Dich küsse / untenrum nach Pisse?“ Wenn man liebt, ist es egal, wie es riecht. Wenn man sich aber trennt, kommt der Ekel vor dem anderen mitunter massiv.

Darüber, wie es ist, wenn man man sich in jemandem verliebt, der nicht gut für einen ist, singen sie nicht klagend, sondern in gewollt holprigen Reimen: „Beim erstmaligen Ertasten hieltst du mich im Schwitzkasten / Und drücktest deine Treter / von Boss mir ins Gesicht / Die Stellung kenn’ich nicht – das google ich dann später“. So ist es halt. Warum soll man es nicht sagen? Schnipo Schranke haben ein großes Herz für die Menschen, die aus krummen Holz gemacht sind. Also für alle.

Wer das nicht mag, erkennt hier zumeist nichts als Fäkalhumor, versteht das Wort dann auch noch rundum negativ und findet die hohe Kunst von Schnipo Schranke mithin flach und klamaukig. Der Witz sei verbraucht, außerdem klänge das ja immer gleich, wusste ein Rezensent des zweiten Albums „Rare“ zu berichten. Heißt: Wo noch nachweislich nahezu jede Indieband mit der Vertonung von maximal drei Gefühlszuständen (melancholisch, manchmal ein bisschen wütend, diffus zerknirscht) eine Karriere durchbringt, kommen Musikerinnen, die „Fotze“ und „Sperma“ sagen, von Demütigung und Abhängigkeit erzählen und dann auch noch ziemlich witzig sind, nicht so leicht durch.

Insbesondere der Vorwurf der Eindimensionalität trifft nicht. Es gibt sonst kaum jemanden, der Komik und Elendsbeschreibungen in drei Minuten derart konzentrieren kann. „Ich finde es durchaus gerechtfertigt, wenn man uns dafür bewundert. Es ist auch für uns ein Kraftaufwand, über solche Dinge zu singen.“ „Rare“ ist das Dokument einer drastischen Offenheit, die immer wieder gerade so weit ironisch gebrochen erscheint, dass man sich um die Musikerinnen keine Sorgen machen muss.

Konzert: Mittwoch, 27. 9., 20 Uhr, Tower Musikclub

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