piwik no script img

Polizisten warnten wohl NSU-UmfeldSPD wittert politischen Skandal

Aus Sympathie sollen Thüringer Beamte Neonazis vor Durchsuchungen gewarnt haben. Ein Polizist wurde später Verfassungsschützer. Die SPD fordert Konsequenzen.

Womöglich von der Polizei gewarnt: Neonazi-Trio Mundlos, Zschäpe un Böhnhardt. Bild: dapd

BERLIN/ERFURT afp/dapd | Nachdem jetzt bekannt geworden war, dass Thüringer Polizisten Ende der 90er Jahre möglicherweise engen Kontakt zum Umfeld der NSU gehabt haben, fordert die SPD personelle Konsequenzen im Thüringer Innenministerium. Wisse die Behörde seit Ende 2011 von dem Verdacht, dass ein Polizeibeamter im Umfeld des „Thüringer Heimatschutzes“ als Sympathisant agiert habe, sei das ein Skandal, sagte die Vorsitzende des Thüringer NSU-Untersuchungsausschusses, Dorothea Marx (SPD.

„Dafür ist die politische Führung verantwortlich, und das muss Konsequenzen haben“, sagte Marx dem MDR. Der Polizist war zeitweilig für den Verfassungsschutz tätig. Wenn der Beamte „klammheimlich Ende letzten Jahres vom Verfassungsschutz wieder in die Polizei versetzt wird, weil man erst nach Auffliegen des Terror-Trios die Akten über ihn gefunden hat, drängt sich der Verdacht auf, dass hier etwas unter den Teppich gekehrt werden soll“, sagte Marx weiter.

Am Wochenende wurde bekannt, dass der Thüringer Untersuchungsausschuss zu den Morden der rechtsextremen Terrorzelle NSU offenbar über Hinweise verfügt, dass mehrere Polizisten in den 90er Jahren Verbindungen zu rechtsextremen Kreisen hatten. „Aus den Akten des Verfassungsschutzes geht ganz klar hervor, dass zwei Quellen unabhängig voneinander einen Beamten im Jahr 1999 belasten“, sagte die Thüringer Linken-Fraktionsvize Martina Renner am Samstag dem RBB. Möglicherweise seien den Quellen zufolge auch weitere Polizisten in den Fall verwickelt.

Renner hatte zuvor gesagt, dass nach der Darstellung in den Akten der Polizist Sven T. engen Kontakt zur rechtsextremen Kameradschaft Thüringer Heimatschutz (THS) unterhalten haben oder zumindest Sympathisant der Neonaziszene gewesen sein soll. Zudem soll er den Rechtsextremisten Enrico K. vor polizeilichen Maßnahmen gewarnt haben. K. gehörte ebenso wie die NSU-Mitglieder Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe dem Heimatschutz an. T. machte demnach trotzdem beim Verfassungsschutz Karriere.

Die Quellen würden auch von weiteren nicht namentlich genannten Beamten berichten, sagte Renner. „Demnach gab es Treffen und Informations-Weitergaben, insbesondere zu bevorstehenden Polizeimaßnahmen wie zum Beispiel Durchsuchungen.“

Edathy (SPD): Rechtsstaat wurde geschädigt

Auch der NSU-Untersuchungsausschusses im Bundestag beschäftigt sich nach den Worten seines Vorsitzenden Sebastian Edathy (SPD) mit Vorwürfen gegen Polizeibeamte in Thüringen. „Es gibt entsprechende Hinweise in den Akten, die uns zugeliefert worden sind vom Bundesamt für Verfassungsschutz“, sagte Edathy dem NDR Info. Es gebe Indizien dafür, dass insbesondere in Thüringen der Rechtsstaat geschädigt wurde durch das Verhalten der Sicherheitsbehörden selber.

Edathy zeigte sich „irritiert“ über die sich aus den Hinweisen ergebende Vermutung, dass ein Thüringer Polizeibeamter „nicht aus dienstlichen Gründen, sondern aus privater Neigung“ in der rechtsextremen Szene unterwegs gewesen sein könnte. Es sei ihm rätselhaft, dass die Behörden in Thüringen diesen Hinweisen erst zwölf Jahre später, nachdem das Terrortrio aufgeflogen sei, nachgegangen sei.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

10 Kommentare

 / 
  • MD
    Martin D.

    eben habe ich in der zeitung gelesen, daß die polizei damals ermittelte, daß alle 9 ausländischstämmigen opfer der nsu kontakte zu kriminellen gruppen hatten.

     

    nun frage ich mich: wenn die nsu ihre opfer mehr oder weniger zufällig auswählte, wie hoch wäre dann die wahrscheinlichkeit, daß all diese rein zufällig kriminelle kontakte hätten? ich hoffe doch, diese wahrscheinlichkeit wäre gering, denn sonst hieße das ja fast, daß ein dönerbudenbesitzer generell solche kontake hätte.

     

    also liegt es nahe, daß die nsu gezielt opfer mit kriminellem hintergrund auswählte, um die polizei von ihrer täterschaft mit hilfe eines üblichen motivs abzulenken, was ja auch gut gelang.

     

    aber woher könnte die nsu solche infos nur haben? von der polizei, würde ich sagen. vielleicht vom 10. opfer, der polizistin kiesewetter oder von den thüringer beamten?

     

    das wäre ein heißes eisen! das indiz ist nicht wegzuwischen: alle opfer hatten kriminelle kontakte.

  • F
    Felix

    "von Sollen" sollte wissen, dass Thüringen wie auch Sachsen Hochburgen des Rechtsextremismus sind, und dass weder in Thüringen noch in Sachsen Rot/Grün regierten. Einen solch unqualifizierten Kommentar habe ich selten gelesen. Tatsache ist und bleibt schließlich, dass dieses 10-jährige verbrecherische Treiben nur dadurch möglich war, dass eben bestimmte Polizeistellen bewusst weggesehen haben. Und wer heute zum 20. Jahrestag die Bilder von Rostock-Lichtenhagen im Fernseher verfolgt, der muss am Verstand dieser Menschen zweifeln.

  • R
    rolf

    Die "rechtsextreme Untergrundzelle samt Unterstützerumfeld" wurde von den Diensten selbst erschaffen, und zwar 1998/99. Mit dabei waren ziemlich viele V-Leute aus der rechten Szene.

     

    Im Jan. 2000 stellte die Bundesregierung den NPD-Verbotsantrag in Karlsruhe, Bundestag und Bundesrat schlossen sich kurz danach an.

     

    2003 scheiterte das Verbotsverfahren "wegen zu vieler V-Leute in der NPD", und die OPERATION RENNSTEIG mit 4 beteiligten Diensten endete ebenfalls 2003.

     

    Die inszenierte Zelle "NSU" wurde nicht mehr gebraucht.

     

    Warum lese ich nirgendwo vom Zusammenhang NSU und NPD-Verbotsverfahren?

     

    Weil der zu offensichtlich ist?

  • W
    womue

    Die Sicherheits- und Innenpolitik Thüringens seit der Wende ist ein einziger Skandal und das ist mit dem Fall NSU noch lange nicht ausgestanden. Aber gerade die SPD stellt da einige der zentralen Witzfiguren.

  • D
    Detlev

    So und jetzt bitte die These, dass dieses Mal auch die Polizei zu blöd gewesen sei, um das herauszufinden, erst jetzt kam raus bla bla bla ...

     

    Der Staat hat mächtig mitgewirkt an der NSU. Alles andere ist naive Beschönigung. Wahrscheinlich war das ein Experiment: Wir schauen uns eine braune Terror-Zelle an und lassen die machen. Oder sie hatten eben Böhnhardt, Mundlos oder Zschäpe auf einer illegalen Informatenliste und haben willentlich unterstützt, vielleicht wollten sie an andere Kräfte ran. Dass die NSU keineswegs abgeschirmt und unbekannt war, ist an der Übermittlung eines Geheimdienstberichts aus Italien klar nachvollziebhar. Die Szene wußte bescheid. Und die Szene bestand aus zig Spitzeln aller Culeur.

     

    Und bis heute weiß man/frau ja nicht, welcher unbekannte Mann das NSU-Wohnmobil verließ, bevor es in die Luft flog. Auch hier branten Beweisstück ziemnlich 8un)günstig ab, ganz wie bei der nächsten Bombe von Zschäbe und der Wohnung der NSU.

    ... Und ein Verfassungsschutzmitarbeiter mit rechtsextremen und braunen Ideen war bei einem NSU-Mord in Kassel dabei, er wurde ganz offenbar noch lange von seinen Vorgesetzten gedeckt und arbeitet heute immer noch als Beamter. Der Mann hatte gleich x Varianten erfunden, warum er im Internet-cafe gewesen war. Auch das schluckten die Ermittlungsbehörden. In Köln fingierten Sicherheitskreise eine Türken-bomben-Türken-These, damit nicht in deutschen rechtsextremen Kreisen wirklich recherchiert wurde.

    Summa Summarum: Nix geht auf, Nix passt zusammen. Das muss eine Ursache haben.

     

    Für wie blöd halten uns diese 'Sicherheitskreise' eigentlich?

    Wer soll diese Märchen glauben?

     

    = Der Staat hat hier mitgespielt. Und es geht wohl nur noch um die Frage, wie, wann, wo und warum?

  • HA
    Heute aus dem Scheisstag

    Olympia Olymp:

    "NSU und Breivik ist immer noch harmloser als Merkel in Kundus."

  • S
    Sollen

    Zur Zeit der NSU-Morde regierten SPD und Grüne. Ich wittere einen Skandal. Sie sollen beteiligt gewesen sein. Außerdem waren sie es welche eine bundesweite Vernetzung der Polizei und anderer Behörden ablehnten. Nicht, daß es einen Beweiß gäbe oder bräuchte. "Sollen" reicht und fällt auf jeden zurück, der jemals SPD oder Grüne wählte oder gar Mitglied ist. Die SPD sollte zurücktreten, die Grünen auch. Raus aus dem Bundestag und so. Es sei denn es ist wie immer und man wittert einfach eine kleine Möglichkeit sich zu profilieren. Da kann dann der dicke Sigmar gerne was sagen, da kann man dann wenigstens mal ordentlich lachen. Wenn IQ-Cllaudi dazu mit den Augen rollt und etwas von "empört"sagt ist alles wie immer.

  • DG
    die ganze welt hasst teile der polizei

    der verfassungsschutz arbeitet rechts in die hände und in der polizei gibts nazis - voll die krasse überraschung... not!

     

    nur weil einige zu engstirnig sind sich soetwas vorzustellen, führt es leider nicht dazu das sowas nicht passiert. vielleicht wird bei der gelegenheit gleich noch das oktoberfestattentat aufgeklärt.

     

    wahrscheinlicher ist aber, das frau schröder zum schluss kommt das man mehr gegen linke gewalt machen muss, weil die NSU und überhaupt.

  • S
    saalbert

    "Nachdem jetzt bekannt geworden war..." - "jetzt" und "war"?

    "Wenn der Beamte 'klammheimlich Ende letzten Jahres vom Verfassungsschutz wieder in die Polizei versetzt wird...'" - "Ende letzten Jahres" und "wird"?

  • T
    tim

    das ganze entwickelt sich zur farce. nehmen sich die vertreter von politik und medien eigentlich selbst noch ernst, wenn sie bei jedem neuen detail wiederholt von pannen reden? eine serie muss doch irgendwann durchbrochen werden. das hier ist wirklich hitverdächtig...

    armes deutschland.