: Polizisten deutscher Länder vereinigt euch!
■ Westdeutsche Gewerkschafter fordern neues DDR-Polizeigesetz / Datenschützer bemängeln fehlende DDR-Datenschutzbestimmungen
Berlin (taz) -Entgegen der Verlautbarung des Bonner Innenministers Schäuble (CDU) und seines Ostberliner Amtsbruders Diestel (DSU) gestaltet sich das Zusammenwachsen der großdeutschen Polizeien und Sicherheitsorgane äußerst kompliziert. Allein die Vorstellung, wie die bundesdeutschen Polizeien mit der Deutschen Volkspolizei zu fusionieren sei, treibt den Experten in Ministerien und Polizeibehörden den Schweiß auf die Stirn. So begreifen Mitarbeiter der Gewerkschaft der Polizei (GdP) das „Signal auf dem Weg zur deutschen Einheit“ (Schäuble) als „ziemlichen Kraftakt“, den sie auf sich zukommen sehen. Ganz sicher wird es ein Paradebeispiel dafür, mit welchen Problemen die Übernahme bundesdeutscher Rechtsnormen in der DDR verbunden sind.
Analog zur Ausweitung des Verfassungsschutzes scheint es den Experten im Bundeskriminalamt (BKA) am einfachsten, wenn mit dem Entstehen von fünf neuen Bundesländern in der DDR der zentralistische Apparat der Volkspolizei durch ein föderatives Polizeimodell nach bundesdeutschem Beipiel abgelöst wird. Die Zusammenarbeit mit diesen neuen Polizeibehörden könnte ähnlich geregelt werden, wie unter den westdeutschen Länderpolizeien. Über die Schaffung der Bundesländer hinaus müßte dafür das Polizeigesetz der DDR verändert werden, und nicht nur in organisatorischen Fragen. Abweichend von der inhaltlichen Begriffsbestimmung der Polizeiarbeit in den westeuropäischen Ländern (die in erster Linie von einer Gefahrenabwehr ausgehen) ist im Gesetz über die Aufgaben und Befugnisse der Deutschen Volkspolizei von 1968 festgelegt, daß die Polizisten der Wahrung und Mehrung der „sozialistischen Errungenschaften“ verpflichtet sind. „Wir brauchen ein Polizeigesetz, das ganz klar die Aufgaben der Polizei definiert“, fordert deshalb GdP-Chef Hermann Lutz und verweist auf entsprechende Bemühungen seiner DDR -Kollegen, eine Gewerkschaft der Deutschen Volkspolizei aufzubauen. „Wir brauchen vernünftige Rechtsgrundlagen, die die polizeiliche Arbeit an Recht und Gesetz binden.“
Eine weitere Hürde der deutsch-deutschen Polizeizusammenarbeit ist auch das Fehlen jeglicher Datenschutzbestimmungen in der DDR. Im kleinen Amtsverkehr wird zur Zeit ein Verfahren praktiziert, das sich auf die Grundsätze des „Übereinkommens des Europarates über den Schutz des Menschen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten“ aus dem Januar 1981 stützt. Danach muß die Übermittlung personenbezogener Informationen dann unterbleiben, wenn Grund zur Annahme besteht, daß die schutzbedürftigen Belange der Betroffenen in der DDR beeinträchtigt werden könnten. Daten dürfen nur dann übermittelt werden, so beschloß es die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder im März, wenn der Empfänger zusichert, sie entsprechend dem angegebenen Zweck und im Einklang mit rechtsstaatlichen Prinzipien zu nutzen. Auf Ersuchen der übermittelnden Bundesbehörde hat der DDR-Empfänger über die Verwendung der Informationen Rechenschaft abzulegen - Übermittlung und Empfang sind aktenkundig zu machen. Die Bonner Datenschützer verfolgen damit „den Versuch, schon ein bißchen Datenschutz auch ohne gesetzliche Grundlage zu installieren“.
Hilfe zum Aufbau einer demokratischen Polizei wurde in den letzten Wochen und Monaten wiederholt von der bundesdeutschen Behörden angeboten. Konzeptionelle Lösungen werden, sofern nach ihnen gesucht wird, aber derzeit hintan gestellt. Im Vordergrund stehen - und dazu sollen die Gespräche mit den DDR-Behörden in erster Linie dienen „Zwischenlösungen“. Gemeint sind Regelungen für die Abwicklung der alltäglichen Routinearbeit, von Verkehrsdelikten und Vermißtenfällen, bis hin zur Rauschgiftkriminaltät und Wirtschaftsdelikten.
Neben der Frage der Neuorganisation und Ausbildung der DDR -Polizei ist auch die Frage offen, ob alle der annähernd 100.000 Volkspolizisten mit militärischem Rang ihren Beruf weiter ausüben sollen. Insbesondere unter den gewerkschaftlich organisierten DDR-Polizisten ist das Mißtrauen gegen die früheren Funktionäre ausgesprochen groß.
Wolfgang Gast
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