Polizeitaktik: Festnahmestraße wird gesperrt

Für NPD-Demo und Schanzenfest-Nachwehen eröffnet der Innensenator den "Hooligan-Knast" wieder. Seine Idee, Schnellgerichte einzurichten, ist aber vom Tisch.

Endstation Gesa? Demonstranten könnten an diesem Wochenende in der Stresemannstraße landen. Bild: dpa

Der Law-and-Order-Kurs von Christoph Ahlhaus schlägt gefährliche Kapriolen. Im Chor mit Polizeivertretern skizziert der CDU-Innensenator allerlei Gewaltszenarien, um gegenüber der Öffentlichkeit populistische Methoden zu begründen. So prognostiziert man im Zusammenhang mit dem NPD-Aufmarsch am heutigen Freitag schwere Ausschreitungen, wenn ein Bündnis aus Kirchen, Parteien, Gewerkschaften und Antifa um 16 Uhr vom Hachmannplatz zum Berliner Tor demonstrieren. Auch für Samstag erwägt Ahlhaus Massenfestnahmen, sollte es nach dem Schanzenfest zu "Krawall" kommen. Für beide Anlässe wird die Polizei die Gefangensammelstelle (Gesa) an der Stresemannstraße reaktivieren. Dieser "Hooligan-Knast" war zur Fußball-WM 2006 eingerichtet worden und kann 200 Festgenommene aufnehmen.

Für heftigen Krach in der schwarz-grünen Koalition sorgte in den vergangenen Tagen Ahlhaus Plan, die Gesa als eine Art "Festnahmestraße" neu zu konzipieren: Personen sollten sofort vor Ort von der Kripo erkennungsdienstlich behandelt, dem Staatsanwalt übergeben und dem Haftrichter zugeführt werden. Dazu sollten eine gemeinsame Einsatzzentrale von Polizei, Staatsanwälten und Haftrichtern tätig werden.

Schnellgerichte für beschleunigte Verfahren sind zwar zulässig, wenn der Fall einfach zu werden scheint, die Beweislage klar ist, der Täter geständig und das Strafmaß unter einem Jahr Haft liegt. So wie bei Trunkenheit am Steuer oder Ladendiebstahl. Im Zusammenhang mit Demonstrationsgeschehen stoßen die angedachten gemeinsamen Einsatzzentralen aber auf heftige Kritik: "Die Richter begeben sich die Höhle des Löwen und stehen unter Hausrecht der Polizei", weiß Anwältin Ulrike Donat aus eigener Erfahrung vom G 8-Gipfel in Heiligendamm. Dort sei die Unabhängigkeit der Richter ausgehöhlt worden, indem die Polizei sie mit geheimen Lageberichten bombardiert und den Anwälten den Zugang zu Mandanten und Haftrichtern verwehrt habe, sagt Donat. "Es muss für Anwälte das Zugangsrecht zum Haftrichter garantiert sein."

Eine Abfuhr erhielt der Senator auch bei der Hanseatischen Richterschaft: "Es wird ein richterlicher Eildienst eingerichtet", sagt Thorsten Fürther, Sprecher der Justizbehörde. Die Bereitschaftsrichter würden jedoch wie immer im Strafjustizgebäude Dienst verrichten, "damit die Unabhängigkeit der Gerichte gewahrt bleibt".

Auch die Staatsanwaltschaft lehnt eine enge Kooperation in Teams mit der Polizei ab. "Es werden zwei Staatsanwälte vor Ort sein", sagt Sprecher Wolfgang Ehlers. "Die werden aber in zwei von der Polizei getrennten Räumen arbeiten." Diese Maßnahme könnte sich positiv für die Betroffenen auswirken, sagt Ehlers, da schneller vor Ort geprüft werden könne, ob überhaupt Haftgründe vorlägen.

Die GAL-Innenpolitiker Antje Möller ist sich sicher, dass der Ahlhaus-Plan vom Tisch ist: "Schnellgerichte werden in Hamburg kein Thema werden." Die Linkspartei schäumt trotzdem: Einen "handfesten Skandal" nennt es die Innenpolitikerin Christiane Schneider, "dass ausgerechnet unter Regierungsbeteiligung der GAL die Unabhängigkeit der Justiz in der Praxis ausgehebelt werden sollte". Die Grünen, so Schneider, sollten lieber auf die Einhaltung des Koalitionsvertrages pochen: Der sieht für die Polizei eine Informationspflicht zur Überprüfung von Maßnahmen bei Demonstrationen vor - um willkürliche Festnahmen zu verhindern.

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