Polizeiruf aus Halle: Turnwahn an der Saale
Das Polizeiruf-Team aus Halle ermittelt in "Leiser Zorn" genauso wie es Bockwurst isst. Nur Devid Striesow rettet den Krimi, der im Schulmilieu spielt.
In Halle an der Saale ist der Turnwahn ausgebrochen. An behelfsmäßigen Gerüsten schwingen sich Jugendliche auf, gleich daneben springen SchülerInnen über gar nicht mal so niedrige Hindernisse. Und sogar Hauptkommissar Herbert Schneider (Wolfgang Winkler) macht Tai-Chi. Leider nicht besonders lange, denn obwohl die Herren Ermittler heute endlich mal frei haben, hört das Verbrechen nicht auf.
Also naht Schneiders Kollege Herbert Schmücke (Jaecki Schwarz) sogar mit Blaulicht, denn eine Schülerin liegt tot vor einem Hochhaus, in das sie nicht hinein- und auf dessen Dach, von dem sie fiel, sie schon gar nicht gehört: Anka Lebrecht (Henriette Nagel) kommt aus besseren Kreisen, doch zur Schule ging sie gleich hier in der Nähe. In eine engagierte Lehranstalt, die die verschiedenen sozialen Milieus ihrer SchülerInnen mit heißem Ernst zu überbrücken versucht und den ganzen Menschen integrieren will. Von den „Hartzern“ aus der Siedlung bis zu den russlanddeutschen Youngstern, die sich die schuleigene Mofa-Werkstatt unter den Nagel gerissen haben.
Allen voran will das Ankas Lehrer Heiner Benneke, den Devid Striesow mit der gewohnt trotzigen Kantigkeit gibt und der doch von Anfang an seltsam zerbrechlich wirkt. Nun ist Anka tot, und an Selbstmord, das vermittelt die passenderweise hinterm Gebüsch auf den Kommissar wartende beste Freundin, hatte Anka oft gedacht. Auch gab es da die ungefährliche, aber vergangene Liebschaft zum It-Boy, Schulband-Frontmann und Schulschwarm Götz.
Doch die in ihrer gewohnten Eifrigkeit auch in diesem Hallenser „Polizeiruf“ den beiden Hauptkommissaren mächtig auf den Geist gehende Normalkommissarin Nora Lindner (Isabell Gerschke) hat da schon zweifelsfrei festegestellt: Was immer auch genau auf dem Dach stattfand - es war Mord.
Da Anka sich vor allem im Netz mit einem mysteriösen Menschen über einsame und gemeinsame Todesfantasien ausgelassen hat, müssen die vordigitalen Urmenschen Schmücke und Schneider mangels technischer Kenntnisse der ermittelnden Jugend den Vortritt lassen. Sie beschäftigen sich lieber mit dem mysteriösen Rentner, der die Leiche fand und nun den charmanten Ossi-Verlierer gibt, der sich durch Flaschensammeln die Haushaltskasse aufbessert. Zwischendrin geraten auch die Aussiedlerkids unter Verdacht, was zwar nichts bringt, aber Schmücke endlich mal wieder Gelegenheit gibt, zu zeigen, dass auch er immer noch Russisch kann. Und draußen wird weiter geturnt.
Während die Szenen mit Lehrer Benneke und seiner Frau ziemlich dicht geraten, spult sich der Rest des Krimis mit der gewohnten Routine des Hallenser Teams ab. Ob die Herren nun eine Bockwurst essen, ihr Wochenende planen oder einen gefährlichen Killer suchen, all dies geschieht mit gleichbleibend elefantöser Ruhe und Gelassenheit.
Man könnte fast glauben, der Falll interessiere sie gar nicht und sie machten nur mit, weil ihr Leben sonst noch ein bisschen langweiliger wäre. Kinder, wir haben doch alles im Griff, sagt das dem Zuschauer. Auch wenn hier nicht alles im Lot ist, besteht kein Grund zur Beunruhigung. Und deshalb darf zum Showdown dann auch die ganze Stadt mit ran.
Schließlich ist dies der 45. Polizeiruf von der Saale, daher wurde auch auf dem Laternenfest, Halles größtem Volksfest, gedreht, mittendrin und ganz ohne Absperrung, wie der MDR nicht ganz ohne Stolz vermeldet. Den Täter stellt Kommissar Schmücke sowieso ganz allein. Und hat danach mit seinem ganzen Team schon wieder eine überaus menschliche Regung: Durst.
Polizeiruf 110 "Leiser Zorn", 13.3., 20.15 Uhr, ARD
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