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Polizeihandbuch empört ChinesenAnleitung zur spurlosen Gewalt

In China wächst die Kritik an der Polizei. Jüngstes Beispiel: ein im Internet veröffentlichtes Handbuch für Hilfspolizisten. Dieses fordert zu spurloser Gewaltanwendung auf.

Hüter der Partei: Polizist in Peking. Bild: dpa

AUS PEKING JUTTA LIETSCH

Im Internet veröffentlichte Auszüge aus einem Handbuch der städtischen Hilfspolizei (Chengguan) sorgen in China für Empörung und heizen eine seit Wochen geführte Debatte über Polizeigewalt an. In den veröffentlichten Auszügen des Handbuchs heißt es, die Beamten "sollten kein Blut im Gesicht oder sichtbare Verletzungen am Körpger der Menschen, denen sie gegenüberstehen, hinterlassen." Sie sollten aufpassen, dass keiner sie sehe, und sie sollten "diese Handlungen schnell ausführen".

In der Zeitung Southern Metropolis Daily räumte ein Pekinger Beamter ein, die Anleitung in einem staatlichen Buchladen gekauft und aus Empörung über ihren Inhalt ins Netz gestellt zu haben. Dem Blatt zufolge erklärte die zuständige Behörde die veröffentlichten Ausschnitte für authentisch, allerdings enthielten sie "unzulässige" Formulierungen. Nie seien Mitarbeiter darin ausgebildet worden, wie sie Festgenommene schlagen sollten. Kommentare in Internetforen nennen die Hilfspolizei "verbrecherische Truppe" oder "schlimmer als Gangster".

Ausgelöst wurde die Debatte über Polizeigewalt durch den Fall des 24-jährigen Bauern Li Qiaoming in der Südwestprovinz Yunnan, der wegen "illegaler Abholzung" festgenommen worden war. Als der zuvor gesunde Mann aus der Polizeizelle mit schweren Kopfverletzungen ins Krankenhaus eingeliefert wurde und vier Tage später starb, erklärten die Polizisten: Li habe mit verbundenen Augen "Verstecken" mit seinen Zellengenossen gespielt und sei dabei hart gegen eine Wand geprallt.

Als Lis Vater seinen toten Sohn sehen durfte, fand er ihn mit blauen Flecken übersät und mit aufgequollenem Gesicht. Um ihre Version zu bekräftigen, luden örtliche Funktionäre Journalisten und Internetautoren ein, die Zellen zu besuchen, in denen Li malträtiert worden war, beharrten aber auf ihrer Erklärung. Das fachte den Zorn nur an. Die Vorgesetzten in der Provinzhauptstadt schickten Sonderermittler, die herausfanden, was alle ohnehin wussten: Li wurde von Zellengenossen verprügelt. Ob im Auftrag der Wärter, blieb offen.

Dies wäre kein Einzelfall: In Chinas Untersuchungszellen stützen sich die Beamten, wie ein Pekinger Sozialpsychologe bei seinen Recherchen erfuhr, "in der Regel auf Kriminelle", die gegen Vergünstigungen andere Häftlinge unter Druck setzen.

Der 19-jährige Xu Gengrong starb am 8. März in der Provinz Shaanxi, sieben Tage nach seiner Festnahme. Die Autopsie zeigte mehrere Verletzungen. Hu Fengqiang verlor in Hunan nach zwölf Tagen Haft sein Leben, Luo Jingbo überlebte auf der Insel Hainan den Arrest nicht. Drei Fälle im März, von denen chinesische Zeitungen berichteten.

Juristen und Bürgerrechtler fordern längst, Festgenommene besser zu schützen. "Die Unterbringung von Häftlingen sollte nicht in der Hand der Polizei liegen", verlangt auch der frühere Vizejustizminister, Duan Zhengkun. Denn Polizisten würden "Angeklagte manchmal foltern, um sie zum Geständnis zu zwingen". Eine neutrale Gefängnisbehörde gibt es bislang nicht.

Chinas Gerichte erwarten ein Geständnis als Voraussetzung für eine Verurteilung. Beschuldigte, die sich weigern, werden oft so lange gequält, bis sie alles zugeben. Nach dem Urteil verlangen die Behörden Reue. Die Häftlinge müssen dann aber weniger mit Folter rechnen. Bislang weigert sich die Polizei, die Kontrolle über die Häftlinge abzugeben. Ihre Macht als Hüter der Partei ist so groß, dass es bisher niemand wagte, sie zu beschneiden. Doch seit einiger Zeit berichten Zeitungen und Webseiten über die dramatischen Zustände auf den Wachen. Dies zeigt, dass es KP-Funktionäre gibt, welche die Polizei in den Griff bekommen wollen. Sie gilt als korrupt, unfähig und nicht selten mit jenen im Bunde, die sie eigentlich bekämpfen soll.

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10 Kommentare

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  • A
    AnnHolt

    Mir fällt in letzter Zeit auf, wie zynisch wir alle werden. Solche schlimmen Vorfälle, bzw. die Berichterstattung darüber bestätigen uns in unserer negativen Einstellung und Erwartung gegenüber Gegenwart und Zukunft. Anteilnahme, Entsetzen, der Schrei nach Änderung erscheinen irgendwie fehl am Platz. Sie sind sowieso sinnlose, zwecklose Aufregung, wenn es sich um Vorfälle weit weg im Ausland handelt, aber selbst hier setzt sich anscheinend die Überzeugung durch, dass wir nichts gegen 'die da oben' ausrichten können, dass die Entwicklung unaufhaltsam mehr Ungerechtigkeit, mehr Gewalt und staatliche Willkür bringen wird.

    Wann handeln wir und verschanzen uns nicht mehr hinter Zynismus und Resignation?

  • AC
    ab cd

    Schon lustig, dass die taz jetzt das tupfengleiche Rot hat wie die Wand hinter Mao.

  • V
    vic

    Diesmal wird der Westen vermutlich China kopieren. "Wir" arbeiten dran, da bin ich sicher, und es wird auch schnell ein "Handymitführverbot" geben, zur Vermeidung lästiger Beweis-Videos.

    Nicht rennen, keine Kapuze, keine Sonnenbrille, nicht filmen, zu hause bleiben, Maul halten.

  • HR
    Helmut Ruch

    Die Chinesen kopieren aber auch wirklich alles; Waterboarding ist ja schließlich auch nichts anderes Folter ohne bleibende körperliche Spuren.

    Da kann sich der sozial-grüne taz-Leser mal wieder richtig empören; er sollte sich aber doch daran erinnern, dass die von der taz propagierten Politiker wie Steinmeier und Merkel aufs Innigste mit den amerikanischen Foltermeistern Bush, Cheney und Rice liiert waren. Die Herrschaften wussten, was in amerikanischen Foltergefängnissen abging!

    Der sozial-grüne taz-Leser möge sich im Internet mal nach der Geschichte der eigenen Prominenz erkundigen; Fischers seinerzeitiger „Europapolitischer Berater“ Joscha Schmierer, in der 70er Jahren Häuptling der KBW (Kommunistischer Bund Westdeutschlands), war ein begeisterter Anhänger des kambodschanischen Massenmörders Pol Pot. Zitat aus Wikipedia:

    „Im Dezember 1978 reiste er mit einer KBW-Delegation zu einem Solidaritätsbesuch zum Diktator Pol Pot nach Kambodscha und sandte diesem auch nach Bekanntwerden des dortigen Terrors 1980 noch eine Grußbotschaft (http://de.wikipedia.org/wiki/Joscha_Schmierer).

    Es gibt also genug Grund, sich mit der eigenen, westlichen Folter- und Terrorgeschichte auseinander zu setzen, dieser Artikel ist ein reines Ablenkungsmanöver. Er passt sehr gut zum heutigen Artikel in der Süddeutschen:“ Rice hat Waterboarding genehmigt“. In der taz lese ich davon nichts. Vielleicht habe ich es ja übersehen!

  • T
    taz-matz

    @renegade: ich habe selten so einen gaga-kommentar gelesen, der a) völlig überflüssig und b) bar jeder grundlage ist.

    links zu sein heißt nicht, blödsinn verzapfen zu müssen.

    grandios unglaubwürdig, überholt, naiv und lächerlich!

  • JS
    Johan Schreuder

    Let me think, kommen nicht gerade die folterer der CIA auch nicht ungeschoren davon? Where is the difference?

  • W
    wetterwax

    Würde mich auch nicht wundern. Es gibt da so ein Vorurteil, welches besagt, die Chinesen kopieren einfach alles.

  • R
    renegade²

    Ich durfte die Tage miterleben, wie zwei Polizisten vier junge, leicht angetrunkene Männer, Handschellen anlegten, wobei einer der Beamten einem noch eine Art Schuppser gab, wodurch er noch vorne überkippte um umfiel, da er die Handschellen umhatte konnte er sich auch nicht abfangen, und platschte mit seinem Kopf voll auf die Straße, gab eine amtliche Platzwunde.

    Jeglicher Protest der jungen Männer wird höchstwahrscheinlich in der Leere des Amtes verhallen.

    Es gibt noch ganz andere, noch viel härtere Fälle von willkührlicher Polizeigewalt in Deutschland, bishin zum Koma oder Lähmungen. Meist gibt es nicht einmal eine Entschuldigung, von Entschädigungen oder Renten ganz zu schweigen.

     

    Der Chinese und sein Handbuch - schon witzig, ich erinnere mich da an die TV Bilder von vor kurz der Olympiade, wo Kindermönche in Tibet mit Holz- und Eisenstangen verprügelt wurden...

    Hat niemanden interessiert, die Tribünen im neuen Olympiastadion waren alle gut gefüllt.

     

    Es geht eben nur ums Geschäft, Menschen sind egal und ersetzbar, kann man ja jeden Tag sehen, in den Nachrichten z.B.

  • AP
    Adam Potocki

    Was soll man von einem faschistischen Regime auch erwarten, das s.g. Umerziehungslager unterhält, in den Menschen zur Tode gefoltert werden.

     

    Aber das war selbstverständlich kein Thema auf Durban II in Genf viel lieber konzentriert man sich auf Israel.

  • R
    Renegade

    Und wer wird sich noch ärgern? Genau, die Polizeichefs der westlichen Welt, die noch kein so schlaues Handbuch für ihre Polizisten haben. Aber wer weiß, vielleicht haben es die Chinesen auch aus Europa bekommen. Wundern würde es mich nicht.