Polizeigesetz: Watschen aus BHV
■ Der Datenschutzbeauftragte Sven Holst rügt die Bremer Rasterfahndung
Irgendwie seltsam. Lang und breit war Innensenator Kuno Böse (CDU) bei der Pressekonferenz zur Ergänzung des Polizeigesetzes – vulgo Rasterfahndung – auf Punkte eingegangen, ohne danach gefragt worden zu sein. Ein Richterbeschluss – wie von den Grünen vorher gefordert – sei für die Fahndung nach extremis-tischen Schläfern nicht notwendig, die Kontrolle durch den parlamentarischen Polizeiausschuss reiche völlig. Böse: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass es eine höhere Kontrolle gibt als die des Parlaments.“ Gestern kam postwendend der Grund für Böses Auskunftsfreudigkeit – aus Bremerhaven, dem Sitz des Datenschutzbeauftragten Sven Holst. Holst hatte nämlich schon vor Sematsbeschluss und Pressekonferenz Böse wegen der Rasterfahndung gehörig kritisiert. Gestern folgte eine Erklärung des Datenschützers, die die Rasterfahndung, die Ende Oktober auch in Bremen eingeführt werden soll, gehörig ab-watscht.
Trotz des Schocks über die Anschläge in den USA solle sich die Politik jetzt nicht von Emotionen leiten lassen, „sondern ihre Reaktionen auf die geänderte Sicherheitsslage zielgenau, kühl und überlegt angehen“. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung habe Verfassungsrang, schreibt Holst, „die Bürger in Deutschland erwarten auch nach den Ereignissen, dass diesem Recht so weitreichend wie möglich Geltung verschafft wird!“ Deshalb sei die Einschaltung der „dritten Gewalt“ – eines Richters – unbedingt notwendig. Auch andere Bundesländer würden nur nach einem Richterbeschluss rastern. „Das Argument, eine richterliche Überprüfung sei überflüssig, weil durch einen Ausschuss schon parlamentarische Kontrolle stattfände, überzeugt nicht“, so Holst. Die neue Vorschrift sehe die Unterrichtung des Ausschusses innerhalb „von höchstens sechs Monaten“ vor und ersetze die richterliche Vorabkontrolle nicht.
Außerdem stelle das neue Gesetz nicht klar, dass die per Raster gewonnenen Daten ausschließlich für Zwecke der laufenden Fahndung genutzt werden. Immerhin ein Punkt, der nach Holsts Brief geändert werden wird, bevor das Gesetz kommende Woche in die Bürgerschaft kommt – meint Hermann Kleen, innenpolitischer Sprecher der SPD. Auf den „Richtervorbehalt“ will Kleen sich jedoch nicht einlassen: „Der Richter wäre ein Handikap für uns parlamentarische Kontrolleure. Nur mit dem vorliegenden Entwurf kann der Innensenator direkt für Fehler verantwortlich gemacht werden.“ ksc
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