Polizeieinsatz in Hamburg: Schlägerei mit Passanten
Nach einer Festnahme in Hamburg eskaliert ein Konflikt mit Passanten: Es fliegen Flaschen und Teile von Gehwegplatten. Fünf Polizisten werden verletzt. Ein Handy-Video zeigt einen zuvor prügelnden Polizisten.
Bei Ausschreitungen im Hamburger Stadtteil Neuwiedenthal sind am Wochenende fünf Polizisten verletzt worden. Einer von ihnen liegt mit einem mehrfachen Schädelbruch im Krankenhaus. Der junge Mann, der ihm ins Gesicht getreten haben soll, ist auf der Flucht. Im Internet ist ein Video des Vorfalls zu sehen, der den Gewaltausbruch offenbar ausgelöst hat: Ein regungslos auf dem Boden liegender Mann wird unter Protest von Passanten mehrfach von einem Polizisten mit dem Stock geschlagen. Der Betroffene, Mateusz W., behauptet, er habe bloß in ein Gebüsch gepinkelt und sich geweigert, seinen Ausweis zu zeigen.
Der Angriff gegen die Beamten ist der schlimmste dieser Art in Hamburg. Er trifft mitten in eine bundesweite Debatte über zunehmende Gewalt gegen Polizisten. Der Hamburger Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) erklärte, der Vorfall zeige, wie notwendig die von der Innenministerkonferenz beschlossene Strafverschärfung für Gewalttaten gegen Polizisten sei. "Wer Sprengsätze, Steine oder Flaschen auf Polizisten schleudert, muss endlich die volle Härte des Rechtsstaates konsequent zu spüren bekommen", sagte er.
Nach Darstellung der Polizei war eine Streifenwagenbesatzung zu einer angeblichen Schlägerei am S-Bahnhof der Trabantenstadt gerufen worden. Vor Ort hätten die Beamten eine Frau mit zwei Kindern bemerkt und gleichzeitig einen Mann der sein "entblößtes Glied zur Schau stellte". Noch während der Überprüfung des 27-Jährigen hätten rund 30 junge Leute die Polizisten zunächst beschimpft und dann mit Steinen und Flaschen angegriffen. 16 Leute im Alter zwischen 15 und 32 Jahren wurden vorläufig festgenommen.
Das 1959 bis 1977 errichtete Neubaugebiet gehört größtenteils zum Stadtteil Hausbruch, der Rest zu Neugraben-Fischbek. Hausbruch schließt eine Einzelhaussiedlung ein. Einige Sozialdaten weisen auf Probleme hin.
Hartz IV erhielten im März 2009 gut 19 Prozent der Bevölkerung. Der Hamburger Durchschnitt liegt bei etwa 11 Prozent.
An der Bürgerschaftswahl 2008 nahmen 51 Prozent der Wahlberechtigten teil. Hamburgweit waren es 63,5 Prozent.
Der Ausländeranteil liegt mit 13,3 Prozent unter dem Durchschnitt von 14,1 Prozent und
einen richtigen Job haben 49,2 Prozent gegenüber 50,3 Prozent der Erwerbsfähigen stadtweit.
Das Video beginnt mit dem bereits am Boden liegenden W.. "Er ist doch außer Gefecht der Junge, warum schlagen Sie auf den armen Mann ein?", ruft ein Passant. Nach einem Schnitt ist zu sehen, wie einer der beiden Polizisten den liegenden W. mehrfach mit dem Knüppel schlägt. Im Laufe der Konfrontation baut sich ein Polizist vor den Jugendlichen und jungen Männern auf und sagt: "Komm her, du Feigling!" Glas klirrt. Kurz darauf steht W. auf und beschimpft den anderen Beamten.
Der folgende Angriff auf die Polizisten ist nicht auf dem Video zu sehen. Dafür haben die Autoren ein Zitat des Landesvorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft, Joachim Lenders, vorgeschaltet - nach dem Motto "Sehen Sie selbst": "Es ist unfassbar", wird Lenders zitiert, "mit welcher Brutalität diese Straftäter, die nur noch als Unterschicht und Abschaum der Straße zu bezeichnen sind, gegen unsere Kollegen vorgegangen sind."
W. sieht wie viele andere in Neuwiedenthal den Grund für die Eskalation in den laufenden Kontrollen durch die Polizei. "Man geht spazieren mit ner Freundin und wird einfach wie ne kleine Muschi behandelt", sagt er. Polizeisprecherin Karina Sadowsky bestreitet, dass im Stadtteil besonders häufig kontrolliert werde. Überprüft werde, wer sich verdächtig verhalte.
Dass der Vorfall für ein besonderes Problem des Stadtteils stehe, wird von verschiedenen Gesprächspartner verneint. Probleme mit Gewalt gebe es seit Jahren, sagt der Fraktionschef der SPD im Bezirk Harburg, Jürgen Heimath. Es werde aber auch viel dagegen unternommen. Ende der 90er Jahre verdarb ein spektakulärer Fall von Jugendkriminalität den Ruf des Stadtteils.
"Es gibt andere Stadtteile, die ähnliche Brisanz haben", sagt Uwe Koßel von der Gewerkschaft der Polizei. Ursache sei eine allgemein höhere Gewaltbereitschaft und eine autoritäre Erziehung vieler Migranten, glaubt er. Warum seine Kollegen trotz der gefährlichen Lage keinen Warnschuss abgaben? Der Schusswaffengebrauch gegen Menschenmassen und gar noch Minderjährige sei tabu, sagt Koßel.
Mateusz W. berichtet von Prellungen und Schwindel. In der Nacht habe er sich übergeben müssen. Die Polizei habe ihn mit Reizgas "ausgeknockt". W. verwahrt sich gegen den Vorwurf, er sei ein Exhibitionist. Er habe bloß ins Gebüsch gepinkelt. "Wenn es die Frau mit den zwei Kindern gibt, möchte sie bitte mit meinem Anwalt sprechen", sagt er.
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