: Polizeiaktion in ganz Polen
■ Über 500 Personen zeitweise festgenommen und verhört / „Präventive Maßnahmen“ offenbar gegen Aktionen zum 1. Mai gerichtet / Gleichzeitig Amnestie für neun politische Gefangene
Warschau (dpa) - Der polnische Sicherheitsdienst hat am Wochenende im ganzen Land eine großangelegte Aktion gegen Oppositionelle unternommen. Im Zuge der offiziell als Präventivmaßnahme bezeichneten Polizeiaktion wurden am Freitag und Samstag „warnende Gespräche“ mit 537 Personen aus Kreisen der verbotenen Gewerkschaft „Solidarität“, der Pazifistengruppe „Freiheit und Frieden“ und der national orientierten „Konföderation Unabhängiges Polen“ (KPN) geführt. Es kam auch zu Hausdurchsuchungen und vorübergehenden Festnahmen. Vervielfältigungsgeräte und Schriften aus Untergrundverlagen wurden konfisziert. Die Behörden verzichteten aber auf Strafverfolgung. Die letzten festgenommenen Oppositionellen - darunter Jacek Czaputowicz von „Freiheit und Frieden“ - wurden am Sonntag freigelassen. Die Aktion fand nur wenige Tage vor dem 1. Mai statt, für den die „Solidarität“ traditionell zu unabhängigen Kundgebungen aufgerufen hat. In einem offiziellen Kommunique über die Polizeiaktion hieß es: „Präventive Maßnahmen sind ein Beweis für den konsequenten Willen der Staatsmacht, Ruhe im Land zu sichern und allen Personen, die eine rechtswidrige Tätigkeit ausüben, die Rückkehr zum normalen Leben zu ermöglichen.“ Parallel zu der Aktion wurde am Samstag abend im Radio die Freilassung von neun Personen aus Krakau und Danzig bekanntgegeben, die auf Antrag von Innenminister Czeslaw Kiszczak amnestiert werden sollen. Sie gehören zu insgesamt 17 Personen, deren Freilassung die „Solidarität“ nach der Amnestie für politische Gefangene vom Juli 1986 noch gefordert hatte. Bei den Gefangenen, die von der Quasi–Totalamnestie für politische Häftlinge im September ausgenommen worden waren, handelt es sich dem staatlichen Fernsehen nach um neun Personen aus Krakau und Danzig, die alle des „Terrorismus“ schuldig seien. Lech Walesa begrüßte am Sonntag die angekündigte Freilassung. Gleichzeitig betonte er, daß „Solidarität“ auf ihre Kundgebungen am 1. Mai nicht verzichten werde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen