Polizei: Ein Gefühl von Gewalt
In der Bürgerschaft wird heute darüber gestritten, ob man Gewalt gegen Polizisten mit einem Extra-Paragrafen im Strafrecht bewehren sollte. Erste Fakten zum Thema gibts aber erst ab Freitag.
In der Bürgerschaft lässt sich heute gut beobachten, wie politische Agenda und Wissensstand mitunter haarscharf aneinander vorbeischrammen können. Auf der Tagesordnung stehen nämlich zwei Anträge zum Thema Gewalt gegen Polizisten.
Während Grüne und SPD nur eine allgemeine Verurteilung entsprechender Übergriffe anregen, prescht die CDU vor: Sie fordert, dass Bremen sich im Bundesrat für einen neuen Paragrafen im Strafgesetzbuch stark macht (taz berichtete). "Tätlicher Angriff auf einen Vollstreckungsbeamten" soll der heißen. Rechtspolitisch wäre das bedenklich, weil so Polizisten zu Besonderen vor dem Recht gemacht würden. Wo es doch nur Gleiche geben sollte. Und unklar bleibt, ob der Vorstoß sicherheitspolitisch überhaupt sinnvoll ist. Nur, dass er Beifall findet ist klar. Er greift eine Initiative von der hiesigen Gewerkschaft der Polizei (GdP) auf, der auch bei den anderen Landespolizeien viele Anhänger gefunden hat: "Die Gewalt gegen Polizeibeamte", heißt es zur Begründung, habe "zugenommen", auch in Bremen.
Das ist allerdings bislang mehr so ein Gefühl. Denn erste verlässliche Zahlen dazu gibt es erst wenn das Kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen (KFN) seine Polizeistudie fertig hat, die größte, die es in Deutschland je gegeben hat. Ganz furchtbar lang wird es bis dahin nicht mehr dauern: "Am Freitag", so Instituts-Direktor Christian Pfeiffer, "werden wir den zehn beteiligten Bundesländern erste Ergebnisse darüber präsentieren können, ob Gewalt gegen Polizeibeamte zugenommen hat."
Bremen gehört natürlich dazu. Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) hatte die Untersuchung im vergangenen Herbst angeregt - als er Vorsitzender der Innenministerkonferenz war: Dort wird im Mai dann auch die ganze Untersuchung vorgestellt, die Globalsicht durch die speziellen Länderergebnisse bereichert - und die Frage geklärt sein, was die Polizisten "rückblickend als eigene Fehler bewerten, die das Gewaltrisiko erhöht haben", so Pfeiffer zur taz. Kurz: Dann hätte man eine solide Grundlage für eine sachliche landespolitische Debatte.
Die Frage ist, ob die gewollt ist: Schon als Pfeiffer im Herbst das Design der Studie vorstellte, hatte es politisches Gezerre gegeben. Zumal Hamburgs CDU-Innensenator Christoph Ahlhaus wähnte, die Untersuchung würde Polizisten zu Tätern umdeuten, und empörte sich über Fragen nach vordienstlichen Gewalterfahrungen. Das KfN strich sie. Ahlhaus ließ Hamburg trotzdem aussteigen. Und in Bremen wartet die Union lieber nicht auf Ergebnisse.
Vielleicht, weil Populismus jeder Couleur immer dann am besten funktioniert, wenn er sich auf diffus Empfundenes stützt. Er riskiert dadurch allerdings, das Problem selber zu verfehlen. Weil er beispielsweise nicht erkennen kann, ob Polizistinnen oder Polizisten stärker betroffen sind - und ob die Art, mit diesen Belastungen umzugehen zielführend ist. Hätten vielleicht junge BeamtInnen damit mehr Schwierigkeiten?
Das wäre ja nicht unplausibel: Die kommen enthusiastisch für ihren Job aus der Ausbildung - und werden dann auf der Straße "bespuckt, bepöbelt, mitunter von völlig Unbeteiligten", erzählt der Landesjugendvorsitzende der GdP, Tim Gelineck. Und das nur, weil sie ihrer Arbeit nachgehen. "Das ist schon eine sehr unschöne Erfahrung". Logisch. Und Streife gehen muss man ja in den ersten Dienstjahren. "Ich glaube nicht, dass das vor allem ein Problem junger Kollegen ist. Das trifft doch alle gleichermaßen", sagt allerdings Gelineck. "Ich weiß es aber nicht". Schließlich läuft die Polizeistudie noch.
Die Gesetzesänderung wäre "eine Form der Wertschätzung", wiederholt Gelineck die GdP-Linie. Aber das istkaum die Aufgabe des Strafrechts. Und ob ein Paragraf 115 abschreckend wirkt - ist unklar. Auslöser der GdP-Initiative war der Hinterhalt von vier Jugendlichen 2008: Sie hatten eine Streife alarmiert - und wollten sie mit einem Molotow-Cocktail attackieren. Die Staatsanwaltschaft hat darin einen Mordversuch gesehen. Verboten war das auch damals schon.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!