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Polizei als Pferdefänger

■ Oder: Wie das Gelbe vom Ei zu stinken beginnt / Ein Bußgeldverfahren

Zunächst schien es um eine Lappalie zu gehen. Jürgen K. hatte einen Bußgeldbescheid über DM 300,-ins Haus bekommen und fristgerecht Einspruch eingelegt. Gestern saß er deshalb im Amtsgericht Richter Gerboth und Staatsanwältin Neubert gegenüber. Vorgeworfen wird dem 35jährigen Ponybesitzer, „seine Weide so ungenügend eingezäunt zu haben, daß zwei seiner Ponys auf öffentliche Verkehrswege liefen.“ Zwei Polizeibeamte hatten laut Gerichtsbericht die Ponys eingefangen und u.a. festgestellt, daß der Stacheldraht „so hoch“ angebracht war, daß die Ponys „mühelos unter dem Draht durchlaufen“ konnten.

Jürgen K. versicherte dagegen glaubhaft, daß er seine Weide im Waller Kleingarten-Gebiet zwischen Bahndamm - Hagen-und Primelweg „ordentlich“ eingezäunt hatte: Mit Pfählen, die 80 cm tief ins Erdreich gerammt und 1,10 m herausragend die Grundpfeiler des vierfach mit Draht verspannten Zaunes seien. Dabei sei (von unten gesehen) die dritte Drahtlage Stacheldraht gewesen. K. versicherte außerdem glaubhaft, beim Versorgen der vier Ponys täglich den Zaun kontrolliert zu haben. Immer wieder habe er ihn ausbessern müssen, weil Kinder ihn durchgeschnitten hatten. Die Sache schien nunmehr klar. Besonders, nachdem Jürgen K. die Größe seiner damals einjährigen Ponys mit ca. 80 cm in Tischhöhe anschaulich vorführte. Richter Gerboth ließ die Zeugen eher gelangweilt hereinrufen.

Der erste Zeuge, Polizist B., konnte sich kaum noch erinnern. Anders sein 30jähriger Kollege K., der die Anzeige erstattet hatte: Ihn hatten „Bundesbürger“ zu den freilaufenden Pferden gerufen und ihm auch erzählt, daß die Tiere häufig ausbrächen. Sofort hätte er festgestellt, daß „der Zaun in keiner Weise ausreichend“ und („ganz gravierend“), daß die Pfähle lose waren.

Im Gegensatz zur Freundin von Jürgen K. konnte Beamter K. sich an durchgeschnittene Drähte nicht erinnern, auch nicht an andere Einzelheiten. Die Staatsanwältin schlug deshalb vor, das Verfahren mangels Beweisen einzustellen. Doch da der Polizeibeamte beiläufig erzählte, daß diese Weide wenige Wochen vor dem Ausbruch der Ponys fürs Laubenfest von Schaustellern genutzt wurde, sah Richter Geboth Widersprüche: „Da haben Sie uns nun das Gelbe vom Ei erzählt, und jetzt fängt es an zu stinken,“ sagte er zu dem Ponybesitzer und fragte ihn, welches Einkommen er als Arbeitsloser habe?

„Auf den Arm nehmen kann ich mich alleine,“ meinte er zusehends zornig und begann eine heftige Befragung. Mit über einer Stunde Verspätung im vorgesehenen Zeitplan zog Gerboth sich zur Bedenkpause zurück. Die Verhandlung wird fortgesetzt, eine weitere Zeugin geladen.

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