Polizei-Ausbildung: Posse um Polizei-Uni
Die Hamburger Hochschule der Polizei wird aufgelöst und mit der Polizeischule zur Akademie verschmelzen. Präsident macht per Parteiticket einen Sprung auf der Karriereleiter.
HAMBURG taz | Aus für die Hochschule der Polizei in Hamburg: Nach nur fünf Jahren wird die sogenannte Polizei-Uni zum 1. Oktober 2013 aufgelöst und mit der Landespolizeischule zu einer Polizeiakademie zusammengelegt. Ein eigener Studiengang an der Polizei-Akademie wird dann die Ausbildung zur gehobenen Laufbahn für Kommissarsanwärter aus Hamburg, Niedersachsen und Brandenburg übernehmen.
„Ziel ist es, die Polizeiausbildung wieder unter einem Dach zu haben und dass sie direkt bei der Polizei aufgehoben ist“, sagt Innenbehördensprecher Frank Reschreiter. „Der Grundsatzbeschluss ist gefallen – ob der Termin Oktober 2013 eingehalten werden kann, ist aber noch offen.“ Mit diesem „integrativen Ansatz“ könne die Polizeiausbildung zum mittleren, höheren und gehobenen Dienst „effektiver gesteuert“ werden, sagt Reschreiter. „Es gibt eine größere Nähe zum Polizeivollzug.“
Kritiker sehen indes „einen Rückfall in die 70er Jahre“, so ein Polizeilehrer zur taz. Damit werde der „alte Wunsch der Polizei erfüllt, Zugriff auf alles zu haben“. Die Dozenten kämen allesamt aus dem Polizeiapparat, sagt er zynisch, „und dann gibt es vielleicht noch ein paar Zivilisten, die Recht lehren“.
Die Hochschule der Polizei ist vom CDU-Senat 2007 gegründet worden und ging aus dem Fachbereich Polizei der Hochschule für öffentliche Verwaltung hervor.
Zum Gründungspräsidenten ernannt wurde Jörg Feldmann von Innensenator Udo Nagel ohne Ausschreibung. Die SPD-Opposition sprach von Parteibuchwirtschaft im Hauruck-Verfahren.
Für rechtswidrig erklärte im August 2009 das Hamburger Verwaltungsgericht die Ernennung Feldmanns, da Mitbewerber nicht berücksichtigt worden waren. Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) ließ seinen Parteifreund Feldmann dennoch im Amt.
Immatrikuliert für das Wintersemester 2011/12 sind zurzeit 252 Studierende, davon 228 im Studiengang "Polizei".
Gestoppt hat Innensenator Michael Neumann im Herbst 2011 die Einrichtung eines neuen Semester "Sicherheitsmanagement".
Mit der Entscheidung von Innensenator Michael Neumann (SPD) und dem neuen Polizeipräsidenten Wolfgang Koptisch (SPD) geht eine jahrelange Posse um die Ausbildung der Kommissaranwärter in ein neues Kapitel. Ursprünglich war die Kommissarausbildung mit akademischem Abschluss ein kleiner Fachbereich der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung (FHöV). Nach dem Wahlsieg des Rechtspopulisten Ronald Schill wollte dieser 2002 erstmals dem Wunsch der Polizeiführung Rechnung tragen, die Kommissarausbildung wieder unter die eigenen Fittiche zu bekommen und mit der Polizeischule nach US-Vorbild zu einer „Police-Academy“ zu verschmelzen. Die Leitung sollte nach den Schill-Plänen ein Polizeioffizier übernehmen. Akademischer Ballast wie Sozialwissenschaften oder Staats- und Versammlungsrecht sollte abgeworfen werden, um den Polizeinachwuchs schneller für den Einsatz auf der Straße trimmen zu können.
Damals gab es einen Aufschrei von Opposition und Experten. Die Zerschlagung der Fachhochschule – der auch die Fachbereiche öffentliche Verwaltung und Finanzen angehörten – zugunsten einer neuen vom Polizeiapparat kontrollierten Einrichtung käme einer „Zwergenhochschule“ gleich, sagte der FHöV-Rektor Thomas Weise. „Die Qualität der Diplome werden nach außen erheblich in Zweifel gestellt.“
Gefallen für Parteifreund
Der Bund deutscher Kriminalbeamter (BdK) sprach sogar von „Klippschule“. „Die Professoren werden abgeschafft und als Dozent kann im Prinzip jeder bestellt werden“, sagte Hamburgs BdK-Chef Frank Schöndube. Jeder Berufsanfänger habe das Anrecht auf eine gute Ausbildung.
Der damalige Schwarz-Schill Senat lenkte ein und favorisierte fortan eine eigene Fachhochschule der Polizei (HdP), an der neben Kommissaren auch private Sicherheitsmanager ausgebildet werden. Doch auch diese Variante stand unter keinen guten Stern.
Zum HdP-Gründungspräsidenten ernannte der damalige Innensenator Udo Nagel (parteilos) auf Drängen seines Innenstaatsrats Christoph Ahlhaus (CDU) den Lübecker Bundespolizeidirektor, Jörg Feldmann. Ahlhaus wollte seinem Parteifreund für seine Arbeit im CDU-Arbeitskreis Innere Sicherheit der Hanse-CDU einen Gefallen tun. Und das, obwohl die Stelle nach dem Hamburger Hochschulgesetz hätte ausgeschrieben werden müssen und Feldmann zudem in der Deputation der Bürgerschaft mangels Qualifikation durchgefallen war.
Feldmann konnte überhaupt keine wissenschaftliche Qualifikation für die Ausbildung des Polizeinachwuchs nachweisen und war an der Schule der Bundespolizei nur Dozent für Kriminalistik. Außerdem war Feldmann schon zuvor in seiner Zeit bei der Hamburger Polizei wegen seines autoritären und selbstherrlichen Führungsstils in Ungnade gefallen, so dass er zuletzt als Polizeioberrat einen Posten beim Landeskriminalamt hatte, wo er kein Personal zu führen hatte. Mit der Ansage: „Mehr wirst Du bei der Polizei Hamburg nicht.“
Aufstand gegen Feldmann
Und auch an der HdP eckte Feldmann an, dem einerseits „königliche Attitüden“ und Mobbing sowie anderseits Inkompetenz und Missmanagement vorgeworfen wird. Im Sommer vorigen Jahres kam es zu einem regelrechten Aufstand. Der Senat der Hochschule – das interne Gremium aus Angestellten, Dozenten und Professoren – forderten vom Hochschulrat noch vor dem Ende seiner Amtszeit im März diesen Jahres, Feldmann als HdP-Präsident abzusetzen.
Seit September hat Feldmann nach taz-Informationen seine Funktion nicht mehr ausgeübt – auch weil er im baden-württembergischen Bühl zum Bürgermeister kandidierte. Die Amtsgeschäfte übernahm sein Stellvertreter Reimer Eggers.
Als Altlast bleibt Feldmann nach Ende seiner HdP-Präsidentschaft nun doch der Hamburger Polizei erhalten. Ihm soll bereits von Ahlhaus in seiner Funktion als Innensenator und Nachfolger von Udo Nagel schriftlich garantiert worden sein, nach seiner Amtszeit einen Posten als Polizeidirektor zu bekommen. Dieser Zusage ist Innensenator Neumann wohl auch nachgekommen. „Herr Feldmann ist im Präsidialstab tätig“, sagt Polizeisprecher Andreas Schöpflin. Dort sei er Leiter des Referats Anerkennungen und Beschwerden. Nach taz-Informationen aber „ohne Personalverantwortung“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Linke gegen AfD und BSW
Showdown in Lichtenberg
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Auf dem Rücken der Beschäftigten