: Politsche Worthülse
■ betr.: "SPD besorgt über Strafvollzug", (Kurzmeldung Seite 5), taz vom 6.6.90
betr.: „SPD besorgt über Strafvollzug“, (Kurzmeldung Seite 5), taz vom 6.6.90
Den Gefangenen in den bundesrepublikanischen Gefängnissen werden die elementarsten Grundrechte verweigert und von einem humanen Strafvollzug kann keine Rede sein.
Selbst im 20. Jahrhundert ist es einem der reichsten Länder der Erde nicht möglich die Gefangenen in die Kranken- und Rentenversicherung einzubeziehen, und eine angemessene Bezahlung (Tariflohn) und vernünftige Arbeitsbedingungen zu schaffen, die den Gefangenen ermöglichen, eigenverantwortlich ihre Angehörigen zu unterstützen und ihre elementarsten Grundbedürfnisse zu decken, sowie die Opfer zu entschädigen und dadurch einen Dialog herzustellen, der meines Erachtens einen wesentlichen Beitrag zur Resozialisierung leisten könnte.
Die angesprochene Resozialisierung ist immer nur eine politische Worthülse gewesen und muß 1990, fast 15 Jahre nach Inkrafttreten des Strafvollzugsgesetzes als gescheitert betrachtet werden.
Denn langjährige Strafe, oftmals über Jahrzehnte hinweg, ermöglicht im heutigen Sicherheitsverwahrvollzug keine Ansätze zur Besserung. Immer noch steht der Gedanke an Rache und Sühne im Vordergrund des gesellschaftlichen Denkens, geschürt durch die verknöcherte Justizpolitik.
Daß dieses System im Umkehrschluß zu einer erneuten Bestrafung und Belastung der Gesellschaft wird, ist für jeden bewußten und denkenden Menschen ersichtlich und den Verantwortlichen schon lange klar. Letztendlich klammern sich diese Verantwortlichen aus Gründen der Machtstabilität dermaßen an das veralterte Justizsystem. (...)
Ralf Köder, JVA Schwalmstadt
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen