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Politologe über die Linkspartei"Es fehlen Jüngere und Frauen"

Die Linkspartei ist im Westen eine Milieupartei - männlich, über 45 Jahre alt und gewerkschaftlich orientiert. Der Politologe Gero Neugebauer über eine Partei zwischen Fundi-Opposition und Tolerierung

Im Schatten Lafontaines: die Linkspartei im Westen. Bild: dpa

taz: Herr Neugebauer, die Linkspartei hat Chancen in Hessen und Niedersachsen, also in zwei Flächenstaaten, ins Parlament einzuziehen. Wäre das für die Partei endlich der Durchbruch für die seit langem anvisierte Westausdehnung der PDS?

Bild: archiv

GERO NEUGEBAUER, 65, ist Politologe und Parteienforscher am Otto-Suhr-Institut der Freien Universität in Berlin. Er gilt als einer der besten Kenner von PDS, WASG und Linkspartei. Zusammen mit Richard Stöss schrieb er das Standardwerk "Die PDS". 2007 erschien von ihm die von der Friedrich Ebert Stiftung in Auftrag gegebene Studie "Die politischen Milieus in Deutschland" im Verlag J. H. W. Dietz (Bonn).

Gero Neugebauer: Bei den Bundestagswahlen 2005 hatte die Linkspartei im Westen ja auch schon gute Ergebnisse. Jetzt will sie nachweisen, dass sie auch in die Landesparlamente einziehen kann. Die Logik ist: Wenn wir das schaffen, haben wir auch den Schwung im Westen 2009 bei den Bundestagswahlen über fünf Prozent zu kommen.

Wie stabil sind denn die Landesverbände in Hessen und Niedersachsen - personell und politisch?

Für beide gilt, dass sich die Kerne noch nicht wirklich herauskristallisiert haben. In Hessen scheint es auch noch harte ideologische Kämpfe zu geben. Ein Direktkandidat, ein Ex-WASG-Mann, rät dort von der Wahl der Linkspartei ab. Ein Kreisvorsitzender hält den erst gewählten, dann wieder abgewählten Spitzenkandidaten der Partei für einen Altkommunisten, der nicht in die Partei gehöre. Der Hintergrund ist, dass der Landesverband in Hessen an einem Wochenende gegründet wurde. Wofür man sonst ein Jahr braucht - Vorstand wählen, Parteiprogramm beschließen, Wahlprogramm diskutieren-, das musste dort ganz schnell gehen. Die politischen Erfahrungen etlicher Beteiligter dort sind nicht allzu groß, die Friktionen schon.

Also kann sich in Hessen wiederholen, was in Bremen passiert ist? Dort ist die Linke mit 8,4 Prozent gewählt worden - und seitdem durch unerwünschte Liebes-SMS und Personalquerelen in die Schlagzeilen der Yellow Press geraten.

Vorsichtig. In Bremen gibt es Probleme, die man spätpubertär nennen kann. Aber die Arbeit der Linksfraktion in der Bürgerschaft ist nicht so schlecht wie es viele Medien darstellen. Die Linke hat dort einige durchaus originelle Anträge eingebracht. Allerdings ist sie nicht die bissige Fundamentalopposition, als die sie sich im Wahlkampf präsentiert hatte. Die Linksfraktion in Bremen hat recht schnell begriffen, dass im Parlament andere Spielregeln gelten.

Das Bild von der Trümmertruppe, die nichts auf die Reihe bekommt, stimmt also nicht?

Nein, das ist ein Zerrbild. Was dort passiert, ist eher die normale Anpassung im Prozess der Parlamentisierung- die bei den eigenen Anhängern Enttäuschungen produziert Man kennt das von den Grünen in den 80er-Jahren.

Wäre die hessische Linkspartei denn notfalls in der Lage, Rot-Grün zu tolerieren?

Der linke Spitzenkandidat Van Ooyen hat sich schon recht weit vorgewagt. Er will Ypsilanti zur Ministerpräsidentin wählen, und hat auch eine Mitarbeit in Aussicht gestellt. Viel weiter kann er nicht gehen. Denn das kann ja bei manchen als die Botschaft ankommen: Dann könnt ihr gleich die SPD wählen. Außerdem verschreckt es die, die Systemopposition wollen und das Parlament als Bühne sehen.

Würde eine Tolerierung die Linkspartei überfordern?

Wahrscheinlich ja. Es gibt dort sehr heterogene Akteursgruppen. Die alte PDS in Hessen, die in einigen Städten durchaus vorzeigbares Personal hatte, will die Überwindung des kapitalistischen Systems, während die WASG für soziale Gerechtigkeit durch Umverteilung steht. Und der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich die verschiedenen Akteure bislang geeinigt haben, lautet: Opposition.

Wie groß ist denn die Gefahr, dass die Linkspartei im Westen dieselbe Karriere macht wie die DVU im Osten - aus Protest gewählt, aber dann aus Unfähigkeit und mangels eines Projekts an sich selbst gescheitert?

Sehr klein. Denn die Linkspartei im Westen hat im Bereich Arbeits- und Sozialpolitik ein eigenes Feld und einen anerkannten Ruf. Die Gefahr ist eher, dass sie zu einer Ein-Themen-Partei verkümmert, die es mit ihrem "Sozialismus im Grauschleier" nicht schafft, mit anderen Themen attraktiv für andere Gruppen zu werden. Das zeigen auch die Neueintritte in die Partei im Westen seit 2005. Es fehlen drastisch Jüngere und Frauen. Die Linkspartei im Westen ist PDS, die um ein früher sozialdemokratisches Milieu ergänzt wurde: vor allem Männer über 45, sozial nicht allzu hoch stehend, gewerkschaftlich organisiert. Auch Arbeitslose, aber kaum Rentner.

Wie sieht die PDS im Osten eigentlich die Westausdehnung?

Skeptisch, aber sie hält sie für notwendig. Die Ex-PDS bezahlt ja mit ihren Mitgliedsbeiträgen und Spenden faktisch die Westausdehnung. Im neuen Vorstand der Bundespartei ist deshalb die Finanzkontrolle verstärkt worden. Das ist auch ein Aspekt der Wahlen. Ein Einzug in Hessen und Niedersachsen würde als Beitrag zur Schuldentilgung betrachtet werden. Nach dem Motto: Endlich hat es sich gelohnt.

INTERVIEW: STEFAN REINECKE

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