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Politischer Streit über ProzessberichteKachelmann entfacht Zensurdebatte

Was darf aus dem Gerichtssaal nach außen dringen? Die Union will Berichterstattung über Sexualdelikte per Gesetz eindämmen. Grüne und SPD warnen davor.

Was darf nach außen dringen? Jörg Kachelmann im Gericht. Bild: dapd

BERLIN taz | Die Medienschlacht im Fall Kachelmann hat einen Streit über die Pressefreiheit entfacht. Die Opposition kritisierte scharf einen Vorstoß der Union, übergriffige und detailreiche Berichterstattung über Sexualdelikte notfalls gesetzlich einzuschränken.

"Berichtsverbote für die Presse oder strafrechtliche Beschränkungen der Pressefreiheit lehne ich strikt ab", sagte Jerzy Montag, rechtspolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, am Mittwoch der taz. Montag verwies auf den Straftatbestand Geheimnisverrat, der bereits geregelt sei: "Wenn das Gericht eine nicht-öffentliche Sitzung anberaumt, darf niemand aus dem Gerichtssaal Details an die Presse weitergeben. Wenn die Presse aber Details dieser Art erfährt, muss sie natürlich berichten dürfen."

Die Debatte in Gang gebracht hatte ein Vorschlag der Union: Der Vorsitzende des Rechtsausschusses im Bundestag, Siegfried Kauder (CDU), sagte: "Es darf nicht sein, dass die Intimsphäre der Betroffenen bis in den letzten Winkel in aller Öffentlichkeit ausgebreitet wird." Medien müssten dazu gebracht werden, über Aussagen, die vor Gericht unter Ausschluss der Öffentlichkeit gemacht würden, nicht zu berichten. "Was hilft es dem Opfer einer Vergewaltigung, dass es sich hinter verschlossenen Türen dem Gericht anvertrauen kann, wenn sämtliche Aussagedetails später doch in der Zeitung stehen?"

Die Tendenz, Verfahren wegen Vergewaltigung medial rücksichtslos auszuschlachten, entmutige Opfer sexueller Gewalt, sich an die Behörden zu wenden. Es wäre aber fatal, wenn die ohnehin geringe Anzeigebereitschaft weiter abnehme, warnte Kauder. Ihm schwebt zunächst eine freiwillige Selbstverpflichtung der Medien vor. Falls eine solche nicht zustande komme, sei eine Änderung der Strafprozessordnung nötig.

So müssten zum Beispiel Zeugenaussagen, die nicht-öffentlich gemacht würden, auch im weiteren Prozessverlauf geschützt werden. "Wenn Verteidigung oder Staatsanwaltschaft diese in ihren Plädoyers verwenden, muss das Gericht Journalisten wieder von der Verhandlung ausgeschließen", sagte Kauder. "Das ist kein Angriff auf die Pressefreiheit, höchstens ein Angriff auf die öffentliche Prozessführung."

"Ungute Gefühle"

Die SPD steht der Idee ebenfalls skeptisch gegenüber. Er verstehe "ungute Gefühle" angesichts der Kachelmann-Prozesses, sagte Dieter Wiefelspütz, Innen- und Rechtspolitiker der SPD-Fraktion und ehemaliger Richter. "Da gab es viele Verlierer, vielleicht hat auch der Rechtsstaat verloren. Als Konsequenz aber in die Pressefreiheit einzugreifen, das geht nicht. Der Schaden wäre größer als der Nutzen." Wiefelspütz argumentierte weiter: "Die Strafprozessordnung bietet bereits ausreichend Instrumente, um den Schutz von potentiellen Opfern zu gewährleisten. An diese müssen sich alle Prozessbeteiligten halten, sonst sind straf- und standesrechtliche Sanktionen möglich."

Beim Kachelmann-Prozess waren in den Medien intime Details ausführlichst ausgebreitet worden - sowohl über das vermeintliche Opfer, als auch über den freigesprochenen Meteorologen. Das Magazin Focus hatte etwa aus einer Tagebuch-Datei zitiert, die Sabine W. angeblich auf ihrem Laptop angelegt haben soll.

Mehrere Ex-Freundinnen hatten sich in der Presse, etwa der Zeitschrift Bunte, über den angeblichen Charakter und das Verhalten Kachmanns ausgelassen. Der Grünen-Abgeordnete Montag regte einen Diskurs der Medien untereinander an. "Wir brauchen eine ernsthafte Auseinandersetzung der Medien selbst, wie Persönlichkeitsrechte in der Berichterstattung gewahrt bleiben können", sagte er. "Das ist ein schwieriger Weg, aber in einer offenen Gesellschaft der richtige Weg." Fest stehe: Die Berichterstattung über den Prozess sei zum Teil übergriffig und unanständig gewesen.

Freiwillige Selbstverpflichtung

Der CSU-Rechtsexperte Norbert Geis hatte in der Neuen Osnabrücker Zeitung ebenfalls für eine freiwillige Selbstverpflichtung der Medien plädiert. "Eine Selbstregulierung der Medien ist dringend geboten." Er forderte einen "Ehrenkodex, mit dem sich die Branche verpflichtet, weitaus zurückhaltender über Prozesse wegen sexueller Gewalt zu berichten."

Eine Selbstregulierung existiert mit dem Pressekodex des Deutschen Presserats bereits. Er ist eine freiwillige Selbstverpflichtung, der 90 Prozent der Verlagsbranche beigetreten sind - etwa die meisten Großverlage wie Springer, die WAZ-Gruppe oder Gruner und Jahr. "Die Presse achtet das Privatleben und die Intimsphäre des Menschen", heißt es in der Ziffer des Kodex', die den Umgang mit Persönlichkeitsrechten thematisiert. Nur wenn privates Verhalten öffentliche Interessen berühre, "kann es im Einzelfall in der Presse erörtert werden".

Gehen bei dem Presserat Anzeigen zu zweifelhafter Berichterstattung einzelner Medien ein, prüft er diese. Wurde der Kodex verletzt, erteilt er Rügen. Diese würden in fast allen Fällen abgedruckt, sagte eine Referentin.

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5 Kommentare

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  • J
    jimmygjan

    @ von pablo

     

    soweit nicht die Rechte anderer verletzt werden.

     

    Wenn Sie schon Art 5 GG zittieren, sollte Ihnen doch auch Art 1 Abs 1 GG bekannt sein

     

    "Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt."

     

    Ich rege an, doch einmal zu überprüfen, welches Grundrecht Ihres erachtens höher zu bewerten ist.

  • VF
    velo fisch

    Die Presse ist ein wichtiges Korrektiv um Fehlurteile zu vermeiden. Sicher ist die Presse nicht objektiv, einzelne Parteien mögen die Presse missbrauchen und die Beteiligten leiden zusätzlich über die Veröffentlichung ihres Privatlebens.

    Im Fall Kachelmann wäre auch ohne Details der Ruf von Kachelmann geschädigt worden. Die Anzeigeerstatterin konnte dagegen anonym bleiben und wird in ihrem Umfeld nicht mit dem Prozess konfrontiert werden. Vielleicht wäre Kachelmanns Ruf weniger geschädigt worden - doch hätte die Vorverurteilung durch Staatsanwaltschaft und Gericht auch mehr Chancen auf Erfolg gehabt. Gerade ein Unschuldiger wird im Zweifel für den besseren Kampf um seine Freiheit die Einbindung der Öffentlichkeit akzeptieren.

     

    Bei Vergewaltigungsprozessen im Beziehungsbereich steht eine hohe Quote von Falschanzeigen eine hohe Quote von nicht beweisbaren und nicht angezeigten Verbrechen gegenüber. Die Opfer dieser beiden Verbrechen gegeneinander auszuspielen ist unerträglich. Keine Vergewaltigung rechtfertigt das Einsperren unschuldiger Männer und keine Falschanschuldigung rechtfertigt die Straffreiheit von Vergewaltigern.

    In Beziehungen sind viele Straftaten nicht beweisbar. Es war falsch deshalb früher die Strafbarkeit gerade im empfindlichsten Vertrauensbereich auszuschliessen oder mit deutlich milderen Strafen zu belegen. Genauso falsch ist es jedoch ohne Beweise Männer zu verurteilen, da voreingenommen Frauen zu Opfern und Männer zu Tätern abgestempelt werden.

    Gerade der Prozess um Kachelmann und die grosse öffentliche Diskussion hat klar gemacht, dass gerade bei Taten in Beziehungen beide Optionen möglich sind und eine Vorfestlegung auf eine Variante falsch ist.

    Wenn Frauen, die vergewaltigt worden sind aber keine Beweise dafür haben durch diesen Prozess von einer Anzeige abgeschreckt werden, ist dies für diese Frauen sicher richtig. Eine Verurteilung ohne Beweise zu fordern, wäre verkehrt - und auch bei anderen Verbrechen wird man ohne Beweise von einer Anzeige absehen. Wenn Frauen, die von ihrem Partner enttäuscht aber nicht vergewaltigt worden sind, nun von einer Anzeige absehen, so ist dies ebenfalls eine positive Wirkung dieses Prozesses. Sie wäre allerdings grösser, wenn Kachelmanns Unschuld bewiesen hätte werden können und die Verleumderin für ihre Falschanzeige ins Gefängnis gekommen wäre.

  • V
    vic

    Ich werde nie verstehen was jemanden dazu bewegen mag, morgens um 5 vor dem Gericht anzustehen,

    um einem Prozess beizuwohnen, über Menschen deren Leben einen nichts angeht.

    Doch um beim Thema zu bleiben.

    Offenbar gab es in diesem Fall erhebliche Lücken innerhalb der Staatsanwaltschaft, gepaart mit sensationsgeiler Yellow Press.

    Das sollte sich doch verhindern lassen, meine ich.

  • P
    pablo

    Art. 5 GG:

    (1)......Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

  • C
    Claus

    Die BLÖD würde sich doch eh nicht an irgendeinen Kodex halten...