■ Mit Rußlands Zentralbank auf du und du: Politische Aktion
Moskau (taz) – Zwei Tage nach der Niederschlagung der Meuterei in Moskau erklärte die russische Zentralbank, sie werde die Devisen aus dem Bargeldverkehr ziehen. Eine „Neuregelung des Verkaufs der Waren gegen ausländische Währungen“ verbietet ab 1. Januar 1994 alle Barzahlungen in fremder Währung.
Eine Katastrophe für die sogenannten „Valutaläden“, die seit drei Jahren wie Pilze aus dem Boden schießen? Nur auf den ersten Blick. Zuerst waren die Valutaläden für die meisten Sowjetbürger bloße Ausstellungen. Heute aber sind rund neunzig Prozent der Käufer Russen. Und das wird so bleiben.
Am Anfang der Reform, als die Inflation noch nicht zur Hyperinflaton wurde, hatten viele Russen und Russinnen ihr Erspartes in Valuta angelegt. Der US-Dollar avancierte zur zweiten Währung, die in mancher Hinsicht die erste ist.
So möchte der Vorsitzende der Zentralbank, Viktor Gerastschenko, mal wieder die nationale Währung retten. Dennoch machen sich die Inhaber der russischen Intershops keine großen Sorgen. Vor anderthalb Jahren wurde bereits ein erster Versuch unternommen, den Barumlauf der Devisen zu verbieten. Dieser Regierungserlaß blieb eine bloße Deklaration, und das wird auch das Schicksal der jüngsten „Neuregelung“ sein. Experten des IWF und des „Zentrums der Wirtschaftsreform“, das Vizepremier Gaidar nahesteht, halten sie für verfrüht und schädlich. Der neue Erlaß werde schließlich nur dazu führen, daß der Valuta- Schwarzmarkt wieder entsteht. Denn sowohl Firmen wie Privatpersonen dürfen nach wie vor Valutakonten eröffnen, und auch nach dem ersten Januar in den Geschäften mit Kreditkarten zahlen. Dieser bargeldlose Verkehr bleibt aber ausschließlich auf die ausländischen Währungen begrenzt, solange selbst die größten russischen Banken noch keine eigenen Bankkarten haben. Die Experten sprechen deshalb von einer neuen Etappe der „Dollarisierung Rußlands“.
Die dilettantische, finanziell sinnlose Maßnahme der Zentralbank ist eine rein politische Aktion. Offenbar möchte sich Gerastschenko, der bisher immer die Reformgegner unterstützt hat, rehabilitieren. Denn immerhin hat ja auch der Reformer Jegor Gaidar erklärt, die Einstellung des Devisenverkehrs sei eine wichtige Aufgabe der Regierung. Nur sollte sie „nicht das Mittel, sondern eine Folge der Stabilisierung des Rubels sein“. Boris Schumatsky
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen