Politikerpärchen: Nicht ohne meine Frau
Die ARD lässt mal wieder die Mutter aller Fragen klären. Den Auftakt machen am Montag Mr und Mrs Obama, doch für wirklich originelle Einsichten reichts nicht ("Liebe an der Macht", 21.45 Uhr).
Ganz so schlimm, wie es der Titel befürchten lässt, kommt es dann doch nicht. "Liebe an der Macht" ist nicht etwa eine neue Vorabend-Soap oder Degeto-Schmonzette, vielmehr will der WDR ein in den Jahren 2004 und 2005 schon einmal erprobtes dokumentarisches Format wiederbeleben: das Doppelporträt eines Politikers an der Spitze eines Staates und des Menschen an seiner Seite. Die Idee ist auch ganz und gar nicht abwegig, haben doch mit den Obamas und den Sarkozys zwei bemerkenswerte Paare das politische Parkett betreten, die eine halbe Dekade zuvor noch niemand auf der Rechnung hatte.
Nicht dass Nicolas Sarkozy damals so unbeschrieben gewesen wäre wie Barak Obama; Sarkozy war immerhin Exminister und Parteivorsitzender - aber das Präsidentenamt und Carla Bruni hat er eben erst 2007 erobert.
Nach den Gorbatschows, Honeckers und Clintons, nach den Strauß, Thatchers und Reagans nun also die Obamas, die Sarkozys und, hoppla, erinnert sich noch jemand: die Kohls (5. 1.). Letztere passen natürlich nicht so recht zu den sportlich-juvenilen Glamour-Paaren der Gegenwart, die Zeiten ändern sich, die Politiker auch, aber Stephan Lamby, der den Film über die Kohls produziert hat, hatte da noch so ein 1998 von ihm mit Hannelore Kohl geführtes, "weitgehend ungesendetes" und der Verwertung harrendes Interview in seinem Archiv. Es scheint das einzige Interview zu sein, das die Filmemacher exklusiv mit einem ihrer Protagonisten führen konnten, ansonsten behelfen sie sich mit Informationen und Einschätzungen aus zweiter Hand, deren besondere Expertise in den Bauchbinden durch Hinweise wie "US-Reporter-Legende" oder "Pulitzer-Preisträgerin" belegt wird.
Die besondere Eignung der Obamas und Sarkozys für das Doppelporträt ist zugleich das Problem dieser Filme: Ein Porträt beider Präsidenten ohne ihre jeweilige Gattin erscheint gar nicht denkbar - sodass dem Zuschauer alles Gezeigte und Gesagte sehr vertraut vorkommen muss. Die böse, voyeuristische Hoffnung auf den Superinsider wird enttäuscht, keiner, der auspackt. Stattdessen erfahren wir von der großen Liebe mit nur ein wenig Inszenierung, sind halt Medienprofis, wer hätte das gedacht.
Und die Cinephilen unter den Obama-Porträtisten machen mit Splitscreen- und bunten Farbfiltereffekten deutlich, dass sie die Vorläufer ihres lässigen Pärchens lieber in der Film- als in der politischen Geschichte suchen: "King of Cool" Steve McQueen und Faye Dunaway stehen Pate. Ja, die Obamas sind so "unverkrampft modern", pflegen eine so "unschlagbar moderne Romanze", da muss man wohl verstehen, dass die Filmemacher aus ihren Herzen keine Mördergrube machen wollen und die Begeisterung in den eigenen Off-Kommentar übernehmen: "Gemeinsam sind sie die bisher einzigen wirklichen Popstars der Politik. Denn das Paar steht scheinbar dafür, dass Menschen fast alles schaffen können und dass wahre Liebe zwar manchmal Opfer braucht - aber vor allem einen Partner."
Das ist alles so schön, wozu die gute Laune untergraben mit allzu Grundsätzlichem und Analytischem? Mit der Frage etwa, warum ein Präsidentschaftsanwärter seine besondere Tauglichkeit für das Amt dadurch soll beweisen können, dass er sich als guter Ehemann und liebevoller Vater präsentiert. Oder, etwas anders, ob einer wirklich ein liebevoller Vater - und verantwortungsvoller Staatsmann - sein kann, der seine putzige kleine Tochter mitten auf die Wahlkampfbühne stellt, um sie vor Tausenden von Menschen aufsagen zu lassen: "I love you, Daddy!" Aber das sind natürlich furchtbar naive Fragen. Die Filmautoren gehen sicher recht in der Annahme, dass ihre Zuschauer viel zu abgebrüht sind, um sich dafür zu interessieren. Der PR-Berater der Sarkozys weiß es besser: "Wählen ist inzwischen so etwas wie Konsumieren - und Stars wie diese beiden sind ein Produkt unserer Konsumgesellschaft."
Bleibt nur die Frage: Wie hieß jetzt noch mal der Mann von Angela Merkel? Muss man den überhaupt kennen? Und falls die Antwort "Nein" ist: Fällt Deutschland etwa wieder in sein unheilvolles Muster der politischen Sonderwege zurück?
"Liebe an der Macht: Michelle und Barack Obama (Mo.) / Hannelore und Helmut Kohl" (Di.) / "Liebe an der Macht: Carla und Nicolas Sarkozy" (Mi.), jew. 21.45 Uhr, ARD
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Interner Zwist bei Springer
Musk spaltet die „Welt“
Nach dem Anschlag von Magdeburg
Wenn Warnungen verhallen
Deutsche Konjunkturflaute
Schwarze Nullkommanull
Kaputte Untersee-Datenkabel in Ostsee
Marineaufgebot gegen Saboteure
Psychiater über Kinder und Mediennutzung
„Die Dinos bleiben schon lange im Schrank“
Elon Musk greift Wikipedia an
Zu viel der Fakten