Politikaffäre: Ministerin der Lüge überführt
Druck auf Niedersachsens Kultusministerin Elisabeth Heister-Neumann wächst. Jetzt vorgelegte Akten belegen deren Versuche, den Gewerkschafter Eberhard Brandt per Disziplinarverfahren zu kippen
Aufgeräumt eilte Wolfgang Jüttner, Fraktionschef der niedersächsischen Sozialdemokraten, vor die Kameras, an seiner Seite drei finstere Rachegöttinnen: Frauke Heiligenstadt (SPD), Christa Reichwaldt (Linke) und Ina Korter (Grüne), die schulpolitischen Sprecherinnen der Opposition. Diesmal, freuten sich die Medienvertreter, würde es eng werden für Kultusministerin Elisabeth Heister-Neumann (CDU).
Sie wurden nicht enttäuscht. Das Quartett resümierte, was die Durchsicht der von der Landesregierung nach langem Hickhack freigegeben Dokumente zur Causa Eberhard Brandt ergeben hatte. O-Ton Jüttner: "Die Akten sind das Todesurteil der Ministerin." Der Verdacht, Heister-Neumann habe dem Chef der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) höchstpersönlich ein Disziplinarverfahren angehängt, aus politischen Motiven und gegen den Rat ihrer Fachleute, sei "voll bestätigt" worden.
Zum Beweis verlas Heiligenstadt ein Exzerpt der belastenden Papiere. Demnach hat Kultusstaatssekretär Peter Uhlig (CDU) am 27. Februar die Schulbehörde in Braunschweig angewiesen, zu prüfen, ob Studienrat Brandt seinen Unterrichtsverpflichtungen nachkomme. Und zwar gleich "mit der Maßgabe", dienstrechtliche Schritte einzuleiten. Außerdem rief er Parteifreund Ulrich Dempwolf an, den Präsidenten der Landesschulbehörde in Lüneburg. Die Botschaft, so Dempwolf: "Ich solle mich um den Fall kümmern." Ende März bekam die Presse Wind von der Sache, was zu "hektischen Telefonaten" zwischen Ministerium und Landesschulbehörde führte.
In der Tat lief die Sache nicht optimal. Dempwolf musste Uhlig melden, dass die für Brandt zuständige Braunschweiger Schulbehörde "davon abrät, ein Verfahren einzuleiten". Sie hat das noch öfter getan. Ebenso Dempwolfs Stellvertreterin. Uhlig schäumte. Also drückte Dempwolf das Gutachten seiner Personaldezernentin in die Hand und sagte, dies "könne doch nicht alles richtig sein". Schließlich habe die "Ministeriumsspitze erklärt, dass man hier vorgehen werde".
Die gute Frau verstand. Sie schrieb die Expertise um, da ohne Zweifel Stunden zu wenig erteilt worden waren. Aber sie ließ offen, ob dafür wirklich Brandt oder seine Schulleiterin verantwortlich war. Am 21. April gab Uhlig dennoch grünes Licht, Brandt anzuklagen, während Dempwolf mit Heister-Neumann telefonierte. Wohl um sie vor den Folgen warnen.
Erstmals öffentlich wurde das Disziplinarverfahren im April über die Medien. Der Focus meldete am 20. 4., gegen GEW-Chef Eberhard Brandt laufe ein Disziplinarverfahren. Eröffnet wurde es am 21. 4.
Auf ein fingiertes Verfahren deuten bald danach verschiedene Indizien hin. Man vermutet, dass der Kritiker Brandt mundtot gemacht werden sollte. Die Ministerin bestreitet dies im Landtag.
Interne Vermerke belegen später, dass das Verfahren eine politisch motivierte Strafaktion gegen Brandt war. Die Regierung verhindert aber die von der Opposition geforderte Öffnung der Akten.
Die Absetzung der Ministerin scheitert am 26. 8. im Landtag an der Regierungsmehrheit.
Was genau gesagt wurde, weiß man nicht. Aber kurz darauf bekam er eine SMS. Die Ministerin dankt ihm "für die persönliche Sorge um mich", forderte statt Kleinmut allerdings Staatsräson und erläuterte die offizielle Kampflinie: Das Dienstrecht macht für Gewerkschaftler keine Ausnahme. Das Urteil der drei Oppositionsdamen war vernichtend: Heister-Neumann habe "in skandalöser Weise Druck auf Mitarbeiter ausgeübt", obendrein "den Landtag belogen", als sie behauptete, mit dem Fall Brandt nicht befasst gewesen zu sein. Im Oktober werde man im Parlament erneut ihren Abgang fordern. "Ich glaube nicht, dass man das aussitzen kann", sagte Jüttner. "Es gibt keinen Grund zurückzutreten", schnarrte die Ministerin, als die Presse ihr eine halbe Stunde später den Weg verstellte.
So lautet auch die Stellungnahme von Karl Heinz Klare (CDU) und Björn Försterling (FDP), den Schulexperten der Regierungsfraktionen. Es gab allerdings auch nachdenklichere Stimmen, doch die wollten (noch) nicht zitiert werden.
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