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PolitikDie Hängepartie geht in die Vollen

Der Investor Hans-Jürg Buff hat in Konstanz ein luxuriöses Medical Resort gebaut und mit einem martialischen Zaun vor der Öffentlichkeit abgeschirmt. Aber die Stadt hat ein Wegerecht durch das Areal. Ein Kampf ums Wegle nach Konstanzer Art: Zickzack im Schneckentempo.

Das Buff Medical Resort in Konstanz: Vor einem halben Jahr war kein Hineinkommen wegen Bauarbeiten. Foto: Joachim E. Röttgers

Von Harald Borges

Vor wenigen Wochen noch sah es so aus, als wolle eine Gemeinderatsmehrheit die Konstanzer Stadtverwaltung zum Jagen tragen. Bisher hatten sich die Stadtoberen den Plänen des Investors Hans-Jürg Buff gegenüber stets höchst verständnisvoll – andere meinen: nahezu unterwürfig – gezeigt, aber jetzt schien Schluss zu sein.

Die Ausgangslage: Der Investor Hans-Jürg Buff hat ein Luxus-Wellness-Resort für Reiche in den Konstanzer Büdingen Park gebaut und eingezäunt wie Fort Knox, damit kein Normalsterblicher die Wellness-Bemühungen der Buff-Gäste stört. Die Stadt Konstanz hat aber ein im Grundbuch eingetragenes Wegerecht für einen Durchgang über das Grundstück des Buff Medical Resort von der Seestraße in Richtung Mainaustraße, an dem es nichts zu rütteln gibt. Es handelt sich dabei um ein reines Gehrecht, Fahrräder haben dort also ebenso wenig zu suchen wie Sitzbänke, sich in irgendeiner Form aufzuhalten ohne zu gehen ist nicht erlaubt, Beleuchtung ebenfalls verboten. Außerdem ist dieses Recht zeitlich beschränkt: In der Baugenehmigung steht nach Angaben des Amtes für Stadtplanung und Umwelt, dass der Weg „aus verkehrssicherungs- und artenschutzrechtlichen Gründen“ zwischen April und September nur von 8 bis 21 Uhr und zwischen Oktober und März von 9 bis 18 Uhr begangen werden darf. Und: Hans-Jürg Buff ist nur wenig angetan vom kommunalen Wegerecht.

Die andere Frage: Wie sollen Normalsterbliche überhaupt auf diesen Weg kommen? Da der Zaun des Resorts an der Seestraße nach Rechtsauffassung der Stadt legal ist und nicht abgerissen werden muss, muss der Inhaber des Grundstücks dort wohl oder übel ein Tor für den Weg einbauen.

Da beide Seiten gesetzlich verpflichtet sind, aufeinander Rücksicht zu nehmen, muss die Stadt auf dem Weg auch Maßnahmen gegen Müll und Lärmbelästigung ergreifen. Dafür muss der Grundstückseigentümer seinerseits der Verkehrssicherungspflicht so nachkommen, dass von den Bäumen auf seinem Grundstück keine Gefahr (durch herabstürzende Äste etc.) für die Menschen auf dem Weg ausgeht.

Die Stadt darf also grundsätzlich einen Gehweg über das Grundstück bauen, wollte dieses Recht aber nach einem mittleren Donnergrollen vom Investorenolymp nicht ausüben. Man hätte es sich ja denken können: die armen Bäume und ihre sensiblen Wurzeln, die ungewisse Rechtslage dieses Wegebaus, und dann erst die Bau- und Unterhaltskosten!

Allerdings hatte die Stadt ihre Rechnung ohne die FDP gemacht. 80.000 Euro sowie jährliche Unterhaltskosten in Höhe von 10.000 Euro waren ihr zu teuer, ihr Kompromissvorschlag deshalb in beinahe letzter Sekunde vor einer wichtigen Ausschusssitzung: Man möge doch ganz einfach das im Grundbuch eingetragene Wegerecht „zu einem angemessenen Preis“ an den Investor verkaufen, wenn der es denn überhaupt haben will. Schließlich sei das Weglein, zu dem es nahegelegene Alternativen gibt, den ganzen Ärger nicht wert, zumal der Investor angekündigt habe, es beidseitig maximal einzuzäunen. Bei alldem komme am Ende womöglich ein enger Fußpfad heraus, auf dem zwei Menschen kaum aneinander vorbeikämen und der „für Menschen mit Geh-Beeinträchtigungen gar nicht nutzbar wäre“. Offenkundig bezweifelt die FDP ganz gegen ihre unternehmerfreundliche Natur die Generosität und den Bürgersinn des Herrn Buff, wenn sie ihm unterstellt, dass er der Öffentlichkeit nur einen handtuchbreiten Streifen seines Grundstücks für den Weg abgeben würde.

Mit dem Geld für das Wegerecht wollte die FDP dann eine kleine Bühne für die freie Kulturszene anschaffen. Aber ihr Antrag wurde im Technischen und Umweltausschuss mit 6 zu 7 Stimmen abgelehnt.

Dafür sprang die SPD als Partei der permanenten, aber unmerklichen Revolution mit einem eigenen Antrag zur Sache in die Bresche und obsiegte machtvoll mit 8 zu 5 Stimmen. Somit wurde die Verwaltung beauftragt, „eine temporäre Abgabe des im Grundbuch eingetragenen Wegerechtes/Gehrechtes des Flurstückes 1792/2 (Büdingen-Areal) zu prüfen“. Da ist er endlich wieder, der alte klassenkämpferische Geist der Genoss:innen: ein harscher Prüfauftrag an die Verwaltung, der darauf hinausläuft, die bestehenden Verhältnisse vom Kopf auf die Füße zu stellen. Und vor dem Investor erstmal nur vorübergehend einzuknicken.

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